Anfänge
Die „Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher“ wie sich die Zeugen Jehovas auch nannten, hatte in Konstanz eine Ortsgruppe, die sich etwa 1921 bildete. Sie hielt Kontakt zu Schweizer Zeugen Jehovas und missionierte mit Fahrrad und zu Fuß im Linzgau und im Hegau.
Verbot im Dritten Reich
Bereits am 15. Mai 1933 wurde die Religionsgruppe in Baden verboten als internationale Vereinigung, die den neuen Staat in allen Formen (Eid, Abstimmungen, Hitlergruß, Wehrdienst) ablehnte. Zunächst setzten die Zeugen Jehovas sonntags den Verkauf von Bibeln noch fort. Ein Verbot gegen die Gewerbeordnung konnte nicht nachgewiesen werden, weil sie die Bibeln zum Einkaufspreis verkauften. Zu Versammlungen konnten sie in die Schweiz ausweichen, und von dort wurden nun Schriften illegal eingeführt und verteilt. Sie nahmen auch am Internationalen Kongress in Basel im September 1934 teil, der eine Resolution gegen Hitler verabschiedete. Von Kreuzlingen aus beteiligte sich Berta Maurer, der führende Kopf der Konstanzer Gruppe, an einer Telegrammaktion gegen Hitler. Es folgte eine Flugblattaktion in Deutschland, die zu einer Verhaftungswelle führte.
Verfolgung
Etwa 25 Personen aus der Konstanzer Gruppe wurden im Laufe des „Dritten Reiches“ gerichtlich verfolgt. Zunächst ging es um Bibelverkauf, dann Schmuggel von Druckschriften aus der Schweiz im Kinderwagen oder im Rahmen eines Fahrrads, Lagerung und Verteilung von Schriften, Weiterleitung von Geldbeträgen, illegale Versammlungen. Die Verfahren fanden meistens vor dem Sondergericht Mannheim statt. Grundlage für Verurteilungen war in fast allen Fällen die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933. Zunächst wurden eher kürzere Gefängnisstrafen ausgesprochen, aber auch die Entziehung des Sorgerechts für die Kinder oder Streichung der Witwenrente.
Konzentrationslager
Ab 1937 bürgerte sich die Praxis ein, dass Zeugen Jehovas nach Verbüßung der Haftstrafe (z.B. Konstanz für Männer oder Gotteszell für Frauen) von der Gestapo in Empfang genommen wurden und in ein KZ verbracht wurden. Die Männer kamen nach KZ Dachau oder KZ Mauthausen, wo Wilhelm Friedrich Kleissle ums Leben kam, die Frauen in die provisorischen KZs Moringen und Lichtenburg, wo die Zeuginnen Jehovas die größte Gruppe bildeten, und anschließend in das neue KZ Ravensbrück. Dies gilt für Berta Maurer und Pauline Hofmaier. Eine Gruppe von vier Frauen wurde Ende 1939 verhaftet und ohne Prozess in das KZ Ravensbrück überführt. Von ihnen ist Anna Schaumann Ende 1945 dort verschollen, d.h. umgekommen.
Besonderheiten im KZ
Die Zeugen Jehovas waren anfangs im KZ oft besonderen Schikanen ausgesetzt und wurden als „Bibelwürmer“ beschimpft. Nach und nach wurden sie aber als gutmütige Arbeitskräfte geschätzt, die man auch außerhalb des KZs einsetzen konnte. So wurde Berta Maurer nach München zur Organisation Lebensborn geschickt, Maria Schwenk zu einem SS-Institut für Pflanzengenetik bei Graz. Irma Wilderer, die im Haushalt eines SS-Generals als Kindermädchen eingesetzt wurde, musste dann aber wieder zurück nach Ravensbrück. Nur wenn die Zeugen Jehovas sahen, dass ihre Zwangsarbeit direkt dem Kriegseinsatz diente, leisteten sie Widerstand. Bei einer solchen Aktion wurde Anna Luise Meissner erschossen.
Nachkriegszeit
Die Zeugen Jehovas wurden nach dem Krieg für die Haftzeiten entschädigt, aber sie haben nie ein großes Thema aus ihrer Verfolgung gemacht. Deshalb ist die Verfolgung dieser Gruppe erst sehr spät in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen.