Irma
WIELER

1882 - 1942 I
Hebelstraße 6-8
Stolperstein verlegt am 13.09.2015
Irma WIELER Hebelstraße 6-8

Von der erfolgreichen Pensionsleiterin zur Deportation und Ermordung

Irma Wieler wurde am 6. April 1882 in Konstanz geboren. Ihr Vater war 1873 von Randegg nach Konstanz gezogen und hatte zusammen mit seinem Bruder die Firma „Gebrüder Wieler“ gegründet. Die Familie wohnte in dem Firmen­gebäude an der Oberen Laube (heutige Haus­nummer 64).

1907 heiratete Irma Wieler einen christlichen Arzt und bekam eine Tochter, die Ehe wurde jedoch später geschieden.

Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Anna gründete sie 1912 in der Hebelstraße das Töchter-Erziehungsheim und die Haushaltungsschule Wieler.

Das Pensionat konnte bis zu 65 Mädchen aufnehmen. Irma Wieler, laut Aussage des Konstanzer Arztes Semi Moos eine energische und umsichtige Frau, kümmerte sich als „Vorsteherin“ vor allem um die geschäftlichen Angelegen­heiten.

Das Töchterpensionat bestand bis 1927, dann wurde der Betrieb als Familienpension weitergeführt. In den Gebäuden fanden auch kulturelle Veranstaltungen wie Kammerkonzer­te und Dichterlesungen statt.

Im Herbst 1938 mussten die Schwestern Wieler den Pensionsbetrieb einstellen und die Villa verkaufen – was sich jedoch als schwierig erwies, da die Genehmigungen des Badischen Finanz- und Wirt­schaftsministeriums bzw. der Devisenstelle auf sich warten ließen. Sie beabsichtigten, zusammen mit ihrer Mutter Berta, die nach dem Tod des Vaters bei ihnen lebte, über Kreuzlingen nach Palästina zu emigrieren, und bemühten sich um Ausreisegenehmigungen.

Irma Wieler wohnte nach mehreren Umzügen innerhalb von Konstanz ab September 1941 im ehemaligen Gemeindehaus in der Sigis­mundstraße 21, wo sie ihre fast 90-jährige Mutter pflegte. Bis zuletzt hofften sie ausreisen zu können. Die Briefe Irma Wielers an die Verwandten in Kreuzlingen aus dieser Zeit schwanken zwischen Hoffnung und Angst. Auf einer Postkarte schreibt sie Ende Februar 1942: „Als mir am Passamt unsere Ausreise zugesagt wurde, dachte ich nicht, dass es bei der Devisenstelle weitere Schwierigkeiten gäbe. Jetzt bin ich voller Sorge und glaube erst an ein Wiedersehen, wenn wir die Pässe in Händen haben. Alles zusammen macht recht nervös, vor allem der Gedanke an Annele, von der wir immer noch ohne Nachricht sind …“ (Anm. d. Verf.: Die Schwester Anna Wieler war am 1. Dezember 1941 von Stuttgart aus nach Riga deportiert worden)

Die Einreisegenehmigung in die Schweiz lag inzwischen vor, aber letztlich untersagte ein Brief aus der Gestapo-Zentrale in der berüchtigten Prinz-Albrecht-Straße in Berlin die Ausreise. Er bedeutete das Todesurteil für Irma Wieler. Während ihre Mutter Berta Anfang April in Konstanz eines natürlichen Todes starb, wurde Irma Wieler am 24. April 1942 mit den letzten Juden von Konstanz in der Sigismundstraße abgeholt. Die Augenzeugin Agnes Scheuble berichtete, dass sie sich in einem verzweifelten Zustand befand, da ihr ein SS-Mann Bluse und Rock zerrissen hatte.

Der Transport ging zunächst nach Stuttgart und von dort am 26. April 1942 weiter gen Osten. Deportationsziel war Izbica in Ostpolen. Das genaue Todesdatum und der Todesort sind nicht bekannt. Irma Wieler wurde mit dem Datum des 26. April 1942 für tot erklärt.

Recherche: Birgit Lockheimer
Patenschaft: Birgit Lockheimer

Quellen & Literatur:

Stadtarchiv Konstanz: Karteikarten, Adressbücher, Postkartensammlung, Manuskript Semi Moos, Bauakte Abt. SXX, Fasc. 1354, Gewerbeakte Abt. SXI, Fasc. 1001 Jahr 1933.
Staatsarchiv Freiburg: Wiedergutmachungsakte Irma Wieler/Hieber Signatur F 196/1 Nr. 4301.
Generallandesarchiv Karlsruhe: Kriegs-Sanitäts-Bericht des Vereinslazaretts Töchterpensionat Wieler Konstanz, Signatur 456 F 113 Nr. 316.
Bayerische Staatsbibliothek München: Prospekt „Töchter-Erziehungsheim und Haushaltungsschule „Wieler““, Konstanz 1913, Signatur BVO21021402.
Erich Bloch: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation, Konstanz 1971, 3. Auflage 1996.
Raffael Wieler-Bloch: Richard Liebermann. Der gehörlose Porträt- und Landschaftsmaler 1900-1966, hrsg. von Erhard Roy Wiehn, Konstanz 2010.
Auskunft ITS Arolsen, Deportierten-Liste 1.2.1.1/11201207, 11201212/ITS Digital Archives, Bad Arolsen.
Helmut Fidler: Jüdisches Leben am Bodensee, Frauenfeld 2011.
Privatarchive der Familien Wieler, Shoshani und Araten
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Familienmitglieder

Anna
WIELER

1889 - 1941 I
Hebelstraße 6-8

Berthold
WIELER

1876 - 1948 I
Schützenstraße 30