Sally
SALOMON

1876 - 1959 I
Bodanstraße 33
Stolperstein verlegt am 25.09.2020
Sally SALOMON Bodanstraße 33

1940 wurden Sally Salomon und seine Frau Rosa nach Gurs deportiert

Sally (eigentlich Salomon) Salomon wurde am 20. April 1876 in Horchheim bei Koblenz geboren. Es gab hier eine kleine wohlhabende jüdische Mittelschicht, bestehend aus Ärzten, Rechtsanwälten und Kaufleuten; seit 1851 nannte die jüdische Gemeinde eine pracht­volle Synagoge ihr Eigen.

Sally Salomon besuchte in Horchheim die Ele­mentar­schule (Grundschule) und machte danach in Mannheim eine Lehre als Dekorateur und Verkäufer im renommierten jüdischen Textil-Kaufhaus Alsberg. Nach dem Abschluss seiner Berufsausbildung übersiedelte Sally Salomon 1902 nach Konstanz und gründete hier die Firma „Mode- und Sporthaus Union“. Sein Geschäft lag im Geschäftszentrum von Konstanz, in der Bodanstraße 8.

Wie viele Geschäftsleute in Konstanz, betrieb auch Sally Salomon Werbung für sein Geschäft. In der „Konstanzer Zeitung“ platzierte er von Zeit zu Zeit Anzeigen. Er ließ aber auch Reklamemarken drucken, die besonders in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg recht populär waren. Diese Reklamemarken oder Werbemarken enthielten Produktwerbung, aber auch ganz unterschiedliche Motive wie Tiere oder Bauwerke.

Die Reklamemarken waren gummiert, man konnte sie also auf Briefe oder in Sammelalben kleben; sie waren aber kein Portoersatz. Absicht dieser Reklamemarken waren Hebung des Umsatzes und Steigerung des Bekanntheitsgrades der Firma, die sie in Umlauf brachte.

Am 25. Januar 1904 heiratete er in Konstanz Rosa, geb. Schatz. Das Ehepaar hatte eine Tochter, Elly, die am 30. Januar 1905 geboren wurde. Sie heiratete 1936 den Weingroßhändler Heinrich Berthold Dukas aus Freiburg; im Februar 1939 emigrierte das Ehepaar Dukas in die USA (Chicago).

Sally Salomon war Mitglied mehrerer Sportvereine und, wie viele Juden, auch in bürgerlichen Gesellig­keitsvereinen aktiv; zudem war er Mitglied in einer Züricher Freimaurerloge. Auch andere Konstanzer Juden waren Freimaurer, wie z.B. Emanuel Rothschild, der Mitglied der Konstanzer Loge „Constantia zur Zuversicht“ war. 1935 wurden die Freimaurerlogen in Deutschland aufgelöst.

Nach der Machtübernahme der Nazis hatte das Geschäft von Sally Salomon schwere Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Einen Vorgeschmack auf die Ver­drängung der Juden aus dem Geschäftsleben war der 1. April 1933, als uniformierte Nazis Bürger am Betreten von jüdischen Geschäften hinderten. Am 1. November 1933 musste er sein Geschäft aufgeben. Nach der Geschäftsaufgabe fristete Sally Salomon seinen Lebensunterhalt als reisender Verkäufer von selbst genähten Hemden. Wegen des Antisemitismus war es aber ab 1937 praktisch unmöglich, als Jude in Hotels zu übernachten.
 
Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 ging in Konstanz das Gerücht um, dass jüdische Geschäfts­häuser abgerissen werden sollen. Hintergrund dieser Gerüchte war wohl der Befehl des Kreisleiters der NSDAP, Wilhelm Sandritter, die Pension Wieler in der Hebelstraße und die Villa Stux in der Seestraße abzureißen. Beide Häuser gehörten Konstanzer Juden. Oberbürgermeister Herrmann verhinderte dies, weil er in Hinblick auf den Fremdenverkehr keine „Ruinen“ in der Bodenseemetropole wollte.
 
Am 10. März 1939 stellte Sally Salomon beim Finanzamt Konstanz den Antrag auf Ausreise für sich und seine Frau nach Kuba; die Ausreise war für September 1939 geplant. Die Bescheinigung des Finanzamtes war notwendig für die Aus­stellung eines Reisepasses. Er rechnete fest mit der Ausreise­genehmigung, da er im Mai 1939, noch vor der Ausstellung des Reisepasses, seinen Hausrat in einem Liftvan (auch Lift genannt, eine Art Container) mit dem Zug oder LKW nach Bremen überführen und dort einlagern ließ. Im Volksmund wurden die Liftvans auch „Judenkisten“ genannt.
 
Im März 1939 wohnte Sally Salomon nicht mehr in der Bodanstraße 33, sondern in der Schützenstraße 26 (seit 1933 Franz-Seldte-Straße); offensichtlich hatte er seine Wohnung in der repräsentativen Wohnlage verlassen müssen. Zum Zeitpunkt der Deportation am 22. Oktober 1940 wohnte das Ehepaar in der Bruderturmgasse 6, einem sogenannten Judenhaus. Judenhäuser waren im Nazi-Behördendeutsch Häuser, die Juden gehörten und in denen nur Juden wohnen durften.
 
Am 22. Oktober 1940 wurden Sally Salomon und seine Frau Rosa, zusammen mit weiteren 108 Konstanzer Juden, nach Gurs deportiert. Im Lager litten viele Inhaftierte an Hungertypus. Sally Salomon magerte nach eigenen Worten „bis zur Unkenntlichkeit ab.“ Seine Frau Rosa erkrankte im Lager an unheilbarem Gelenkrheumatismus.
 
Während das Ehepaar Salomon in Gurs inhaftiert war, gelang es ihrem Schwiegersohn, Heinrich B. Dukas in Chicago, dem Mann ihrer Tochter Elly, für seine Schwiegereltern Einreisepapiere für die USA zu beschaffen. Am 27. März 1941 wurde Sally Salomon ins Lager Les Milles in der Nähe von Marseille verlegt, seine Frau Rosa ins Hotel „Terminus les Ports“ in Marseille. Am 28. November 1941 wurden beide freigelassen.

Am 2. Dezember 1941 durften Rosa und Sally Salomon Marseille verlassen und mit der Bahn nach Lissabon fahren. Die Fahrt dauerte zwei Tage, da der Zug wegen der Fliegerangriffe nur nachts fahren konnte. Die Kosten für die Bahnfahrt von Marseille nach Lissabon hatten seine Züricher Logenbrüder übernommen.
 
Am 24. Januar 1942 verließ das Ehepaar Salomon mit dem Ozeandampfer „Serpa Pinto“ den Hafen von Lissabon. Diese Schiffspassage wurde vom „Joint Distribution Committee“ (JDC) organisiert), einer amerikanischen Hilfsorganisation für Juden.
 
Am 25. Februar 1942 legte das Schiff in New York an. Von New York fuhr das Ehepaar Salomon mit dem Zug weiter nach Chicago, wo ihr Schwiegersohn Heinrich Dukas mit seiner Frau Elly wohnte.
 
Sally Salomon tat sich schwer, in der neuen Heimat beruflich Fuß zu fassen. Er war schon über 60 Jahre alt, als er in Amerika ankam. Er konnte kein Englisch. Seine Erfahrung und sein Wissen als Textilkaufmann waren in Chicago nicht gefragt. Er fand daher nur schlecht bezahlte Jobs in einer Lederarbeit, als Packer und als Hilfsarbeiter in einer Papierarbeit. Erst 1949, mit 73 Jahren, beantragte er die Rente. Rosa Salomon fand überhaupt keine Arbeit.
 
1953 stellte Sally Salomon beim Landesamt für Wiedergutmachung in Freiburg einen Antrag auf Entschädigung für den Verlust seines Vermögens und die Haft in Gurs. Dabei wurde ihm nur die Zeitspanne vom Tag der Deportation nach Gurs bis zur Entlassung aus dem Lager Les Milles Anfang März 1941 angerechnet, also etwa 13 Monate. Er erhielt eine geringfügige Entschädigung und eine kleine Rente zugesprochen. Für ihren von den Nazis beschlagnahmten Hausrat erhielt das Ehepaar Salomon keine Entschädigung.
 
Sally Salomon starb am 17. November 1959 in Chicago.

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: Gerhard Spiess

Quellen & Literatur:

Staatsarchiv Freiburg F 196/1, Nr. 3111, 3112; F 166/3, Nr. 6466.
Stadtarchiv Konstanz.
Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques, Pau, Frankreich.
Drei Reklamemarken des Herren-Mode-Bazars "Union", Inh. Sally Salomon, Konstanz ca. 1910 - 1925, Papier; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2015/1666/0, Schenkung von Peter-Hannes Lehmann, Foto: Roman März.
Ancestry.com.
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Familienmitglieder

Rosa
SALOMON, geb. SCHATZ

1882 - 1962 I
Bodanstraße 33