Karl
DURST

1903 - 1974 I
Turnierstraße 26
Stolperstein verlegt am 12.07.2011
Karl DURST Turnierstraße 26

Karl Durst wurde Haftentschädigung für 82 Monate und 10 Tage zuerkannt

Karl Durst wurde am 23. Juni 1903 in Nürnberg geboren. Sein Vater war Form- und Eisengießer. Im Elternhaus ging es sehr knapp zu, da Durst noch 16 Geschwister hatte, von denen 1938 noch sieben lebten. Nach dem Besuch der Volksschule in Nürnberg lernte er Schreiner.

1929 zog Durst nach Konstanz, arbeitete aber bis 1938 bei der Firma Jonasch und Co. im benachbarten schweizerischen Kreuzlingen. Durst war begeisterter Freizeitsportler; im Waldheim Konstanz im Lorettowald nahm er an zahlreichen Turnwettkämpfen teil. 1931 wurde er Mitglied des Konstanzer Arbeiter-, Turn- und Sportbundes, 1938 Mitglied im Kreuzlinger Arbeiter­turnverein; außerdem war Handballschiedsrichter. 1923 wurde er Mitglied des Arbeiter­sängerbundes. In Kreuzlingen trat er dem schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband und 1931 der Konstanzer SPD bei.

Am 27. Juli 1929 heiratete Karl Durst in Nürnberg seine Frau Margarete, geb. Halbach (14.3.1905-1983), aus Wuppertal-Ronsdorf. Er hatte sie auf der Bahnfahrt zum Deutschen Turnfest in Köln (1928) kennengelernt.

Das Ehepaar Durst hatte vor dem Krieg zwei Kinder, Karl (Jg. 1932) und Hans-Walter (Jg. 1938). Obwohl Durst erst Anfang der 30er Jahre in die SPD eingetreten war, wurde er am 4. Mai 1933 als Nachfolger des Gewerkschafters Hubert Hormes zum Stadtrat bestellt. Er übte dieses Amt jedoch nur bis zum 14. Juni 1933 aus.

Schon bald nach der Machtübernahme engagierte sich das Ehepaar Durst aktiv im Widerstand gegen das NS-Regime. Ihre Wohnung wurde Anlaufstation für verfolgte SPD-Funktionäre für den illegalen Grenzübertritt in die Schweiz. In den monatlichen Lageberichten der Staats­polizei­leitstellen über die marxistische und kommunistische Bewegung in Konstanz aus dem Jahre 1938 heißt es: „Die Eheleute Durst haben in den Jahren 1933 bis 1936 mehrfach flüchtige SPD-Funktionäre über die Schweizer Grenze geschafft. Durst, der seit Jahren in Konstanz wohnt und in Kreuzlingen arbeitet, hat dies zum Teil in der Weise bewerkstelligt, dass er in der Schweiz Grenzscheine auf falsche Namen beschafft hat, mit denen die Flüchtlinge dann in seiner Begleitung die Grenze im so genannten ‚Kleingrenzverkehr’ überschreiten konnten.“

Am 8. Mai 1938 wurde das Ehepaar Durst in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet.

Karl Durst wurde zunächst im Gefängnis Stuttgart, dann bis zum Prozessbeginn in Berlin-Moabit inhaftiert. Am 12. Oktober 1938 wurde er zusammen mit dem Schweizer Ernst Bärtschi aus Kreuzlingen und Andreas Fleig – ein deutscher Staatsbürger, der in unmittelbarer Nachbar­schaft zu Ernst Bärtschi in Kreuzlingen/CH wohnte – vom Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof in Berlin angeklagt. Die Anklage warf den Angeklagten vor, „in Konstanz und an anderen Orten des Reiches seit dem Sommer 1933 bis zu ihrer Festnahme fortgesetzt und gemeinschaftlich miteinander und mit anderen das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Reichs mit Gewalt zu ändern, vorbereitet zu haben„. Konkret lautete der Vorwurf, die drei hätten Schriften aus der Schweiz nach Deutschland eingeführt und sich für die „hochverräterischen Bestrebungen der SPD eingesetzt„. Außerdem seien sie als Verbindungsleute zwischen geflüchteten deutschen Gewerkschafts­funktionären in der Schweiz tätig gewesen. Weiter warf die Anklage ihm vor, mehrere Personen mit gefälschten Papieren in die Schweiz gebracht zu haben.
 
Am 12. Oktober 1938 wurde Karl Durst zu acht Jahren Zuchthaus und acht Jahren Ehrverlust, d.h. Aberkennung seiner bürgerlichen Rechte, verurteilt. Seine Mitangeklagten Ernst Bärtschi und Andreas Fleig erhielten 13 bzw. 15 Jahre Zuchthaus.
 
Nach seiner Verurteilung wurde Durst über Ludwigsburg und Hamm am 25. Mai 1939 in das Lager II Aschendorfermoor (bei Papenburg im Emsland) eingeliefert, das von der SA-Standarte 10 unter ihrem Anführer SA-Oberführer Werner Schäfer bewacht wurde. Die Arbeitszeit der Strafgefangenen bei der Moorarbeit betrug 12 Stunden. Daneben stand die so genannte körperliche Ertüchtigung auf dem Programm. „Im Moor stundenlanger Sport bis zur Erschöpfung unter Schlägen und Gummiknütteln und Fußtritten„, so beschreibt Durst diesen Teil des Lageralltags.
 
Am 1. Dezember 1940 erfolgte die Verlegung in das Arbeitslager 1, im heutigen Rodgau bei Dieburg in Hessen. Dieses Lager unterstand der NS-Justizverwaltung, Staatsanwaltschaft Darmstadt, es war also kein Konzentrationslager oder Zuchthaus.
 
Das Lager wurde zunächst für die Flurbereinigung von fast 40 Gemeinden der Kreise Dieburg und Offenbach eingerichtet. Mit Kriegsbeginn wurden die Gefangenen jedoch meist von den Erschließungsarbeiten abgezogen und in der Rüstungsproduktion, als Hilfskräfte in der Landwirtschaft, zum Beseitigen von Kriegsschäden, Reparaturarbeiten für die Reichsbahn oder zum Bombenräumen eingesetzt.
 
Die Gefangenen wurden im Lager relativ human und korrekt behandelt. Diesen Umstand verdankten sie dem Lagerleiter Franz Mohr, der aus dem badischen Polizeidienst kam. Mohr hatte Kontakte zum Widerstandskreis um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler und war in die Pläne der Verschwörer zur Beseitigung Hitlers eingeweiht. Seine ablehnende Haltung zum NS-Regime erklärt, warum er die Gefangenen, die größtenteils Gegner des NS-Regimes waren, wie Menschen behandelte. Durst durfte von seiner Frau und seinen Kindern im Lager besucht werden. Wegen einer Mittelohrentzündung und einer Augenerkrankung war Durst jeweils einen Monat lang im städtischen Krankenhaus Dieburg in Behandlung. Am 22. März 1945 erhielt Durst 6 Tage Freigang zum Besuch seiner Familie in Wuppertal. Ausgestattet mit einem Passierschein und Lebens­mittel­karten für zwei Tage, verließ Durst das Lager und kehrte nicht mehr zurück. Man kann davon ausgehen, dass dies vom Lagerleiter Mohr auch so gewollt war.
 
Am 25. März 1945 wurde das Lager von den Amerikanern befreit.
 
Karl Durst wurde Haftentschädigung für 82 Monate und 10 Tage zuerkannt.
 
Karl Durst blieb in Wuppertal bei seiner Familie, wo er 1949 eine Schreinerwerkstatt eröffnete.
 
1947 wurde als drittes Kind die Tochter Erika geboren.
 
Gestorben am 16. April 1974 in Wuppertal.

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: SPD Ortsverein Konstanz

Quellen & Literatur:

Widerstand als Hochverrat 1933-1945: die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht. Hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte München. Bear. Von Jürgen Zarusky München: Saur. Hier die Anklageschrift und das Urteil gegen Karl Durst, Fiche 278 und 279.
Weick, Käte: Widerstand und Verfolgung in Singen und Umgebung – Berichte, Lebensbilder und Dokumente. Stuttgart: Vereinigung d. Verfolgten d. Naziregimes, 1982.
Franken, Lina: Der aktive und passive Widerstand in Konstanz und Umgebung 1933-1945.
Auskünfte zu Karl Durst durch das ITC Arolsen.
Zahlreiche Akten zu Karl Durst befinden sich im Bundesarchiv Berlin. Auch im Staatsarchiv Ludwigsburg und im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt finden sich Unterlagen.
Stadtarchiv Wuppertal, Entschädigungsakten Karl und Margarete Durst, 11220 und 11221.
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Familienmitglieder

Margarete
DURST, geb. HALBACH

1905 - 1983 I
Turnierstraße 26