Robert
VEIT

1896 - 1966 I
Schottenstraße 1
Stolperstein verlegt am 03.07.2016
Robert VEIT Schottenstraße 1

„Ich lasse mich nicht würdelos behandeln. Ich war vier Jahre im Ersten Weltkrieg, ich war Offizier.“

Dr. Robert Veit wurde am 10. Februar 1896 als Sohn von Leopold und Luisa Veit, geb. Kauffmann, in Offenburg geboren.(1)

Er diente 1914 bis 1918 als Offizier im Ersten Welt­krieg(2) und arbeitete nach dem Medizinstudium als Oberarzt und Assistent von Prof. Dr. Hoche an der psychiatrischen Klinik der Universität Freiburg.(3)

Um 1922 eröffnete er eine eigene Praxis als Spezial­arzt für Nerven- und Gemütskrankheiten.

Ab dem 1. April 1930 war er in Konstanz gemeldet, wo er in der Schützenstraße 1 eine Praxis als Facharzt für Nerven­krankheiten eröffnete, die Praxis befand sich im Erdgeschoss des Hauses.

In Konstanz heiratete er am 11. Dezember 1930 seine Cousine Leonore Bloch. Leonore war die Tochter von Adele Bloch, geb. Veit, einer Schwester seines Vaters Leopold Veit.

Das Ehepaar lebte in der Schottenstraße 1, dem Elternhaus seiner Frau(4). Aufgrund des nahen Verwandt­schaftsgrades verzichtete das Ehepaar auf Kinder(5).

Am 31. März 1933 wurde Dr. Robert Veit seine kassen­ärztliche Zulassung und somit seine Lebens­grundlage entzogen, was ihn zusammen mit dem zunehmenden Anti­semi­tismus in Deutschland dazu bewegte auszu­wandern.

Mit ein Auslöser für seine Emigration war auch das Auftauchen von Nazis vor seiner Praxis, um den Boykott der Arztpraxis zu forcieren. Sein Schwager Erich Bloch zitiert ihn in seinem Buch „Das verlorene Paradies“: „Ich lasse mich nicht würdelos behandeln. Ich war vier Jahre im Ersten Weltkrieg, ich war Offizier. Ich bin zwar Zionist, doch ich habe keine Chance jetzt nach Palästina zu kommen; ich habe jedoch zwei Brüder in Brasilien, die sollen mich anfordern, ich werde innerhalb weniger Wochen dieses Land verlassen!(6)

So gelang es Robert Veit tatsächlich, in nur wenigen Wochen die erforderlichen Ausreisedokumente zu erlangen. Bereits am 16. Mai 1933 meldeten er und seine Frau sich polizeilich nach Südamerika ab.
 
Seine Konstanzer Praxis schloss er nach eigenen Angaben zum 15. April 1933(7). Mit einem Schiff der niederlän­dischen Reederei Koninklijke Hollandsche Lloyd fuhr das Ehepaar am 23. Mai 1933 von Amsterdam nach Sao Paulo, wo sie in der Rua Maria Jose 860-1 wohnten.
 
In Brasilien war es deutschen Ärzten nicht gestattet, den ärztlichen Beruf auszuüben. Nach Erlernen der portugiesischen Sprache fand Robert Veit schließlich Anstellung als Lehrer der Naturwissenschaften in einem Gymnasium, zeitweise fand er auch Arbeit als privater Sprachlehrer. Nach etwa zehn Jahren wurde er als Gerichtspsychiater und für das Erstellen von amtlichen Gutachten eingesetzt.(8) Später arbeitete er auch als Berater für das deutsche Konsulat in Sao Paulo, durfte jedoch nie mehr seinen Arztberuf ausüben.
 
Robert Veit und seine Frau Leonore bemühten sich nach den während der Reichspogromnacht in Horn und Konstanz erlittenen Misshandlungen von Erich Bloch und Moritz Bloch um die nötigen Einreisepapiere für beide Familien. Hilfreich waren dafür gute Kontakte von Roberts Frau Leonore, die bei der Familie des brasilianischen Innenministers arbeitete. Die Papiere kamen jedoch nie bei Erich Bloch an.(9)
 
Die Bemühungen um ein Visum für seinen Schwieger­vater Moritz Bloch und dessen Frau Ida hatten hingegen Erfolg. Der in der Reichspogromnacht schwer misshandelte Moritz Bloch erreichte 1939 nach mehreren Monaten Aufenthalt in Zürich und lang­­wierigen Behandlungen der schweren Verletzungen Sao Paulo, wo er nur ein Jahr nach Kriegs­ende am 5. Mai 1946 starb.
 

Am 19. Dezember 1947 erhielt Robert Veit die brasili­anische Staatsangehörigkeit.(10) Aufgrund gesund­heitlicher Probleme, 1950 erlitt er einen Herzinfarkt, wurde er berufsunfähig und lebte in prekären finan­ziel­len Verhältnissen.

 
Im August 1954 reiste Robert Veit noch einmal an den Bodensee. Unter anderem erhoffte er sich eine Besserung eines chronischen Herzleidens und hatte dafür ursprünglich einen Aufenthalt im Sanatorium „Konstanzer Hof“ geplant. Er hielt sich jedoch ab dem 4. August 1954 im Haus Ruoff in Unteruhldingen auf. Hier bemühte er sich durch persönliches Vorsprechen auch um eine Beschleunigung laufender Wiedergut­machungsverfahren. Über die ihm dort widerfahrene Behandlung äußerte er in einem Beschwerdebrief vom 7. August 1954 „Befremden“. Obwohl Robert Veit gesundheitliche Gründe geltend machte und das Geld dringend für Sanatoriumsaufenthalte benötigte, zogen sich die Verfahren jedoch über Jahre hin.(11)
 

Robert Veit starb am 14. Oktober 1965 in Sao Paulo schwer krank an einem Lungenkarzinom.

Recherche: Schüler und Schülerinnen der Hegau-Bodensee-Seminargruppe „Spurensuche“: Jessica Böhme, Franziska Eble, Paul Ellsiepen, Linus Kulman, Tim Kuppel, Gaia Quintini, Jasmin Ye mit Petra Quintini und Manuel Boxler
Patenschaft: Alex Hanßmann

Quellen & Literatur:

(1) Staatsarchiv Freiburg, aus Bestand F 166/3, Landgericht Freiburg: StAF 166/3 Nr. 6830.
(2) Staatsarchiv Freiburg, aus Bestand F 196/1, Landesamt für Wiedergutmachung: Außenstelle Freiburg: StAF 196/1 Nr. 3961.
(3) Staatsarchiv Freiburg, aus Bestand F 166/3, Landgericht Freiburg: StAF 166/3 Nr. 6830.
(4) Einwohnerbuch der Kreishauptstadt Konstanz einschließlich der Gemeinde Wollmatingen. Konstanz: Stadler.(Jahrgänge 1931, 1932, 1933). Eingesehen im Stadtarchiv Konstanz.
(5) Nach schriftlicher Auskunft von Angehörigen.
(6) Erich Bloch (1992). Das verlorene Paradies. Ein Leben am Bodensee 1897-1939. Sigmaringen: Thorbecke. (S. 124).
(7) Staatsarchiv Freiburg, aus Bestand F 196/1, Landesamt für Wiedergutmachung: Außenstelle Freiburg: StAF 196/1 Nr. 3961.
(8) Erich Bloch (1971). Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation. Konstanz: Rosgartenverlag.
(9)ebda.
(10) Staatsarchiv Freiburg, aus Bestand F 196/1, Landesamt für Wiedergutmachung: Außenstelle Freiburg: StAF 196/1 Nr. 3961.
(11) ebda. (StAF 196/1 Nr. 3961).
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Familienmitglieder

Leonore
VEIT, geb. BLOCH

1895 - 1953 I
Schottenstraße 1