Bertha Hilda
SCHROFF

1911 - 1944 I
Radolfzeller Straße 56
Stolperstein verlegt am 28.06.2014
Bertha Hilda SCHROFF Radolfzeller Straße 56

Vermutung auf Schizophrenie: Der verhängnisvolle Anfang von Bertha Schroffs Leidensweg

Bertha Hilda Schroff (in amtlichen auch Schreiben: Hilda Bert(h)a Schroff) kam am 5. April 1911 in Wollmatingen zur Welt und wurde katholisch getauft. Ihre Eltern waren der Landwirt Max Schroff und Emma Schroff, geb. Stadelhofer.

Bertha wuchs zusammen mit fünf weiteren Geschwistern in der Radolfzeller Straße 56 auf. Sie besuchte die Volksschule in Wollmatingen und absolvierte danach eine Lehre in der Seidenweberei Schwarzenbach. Als Hausangestellte lebte sie später bei einem holländischen Ehepaar in Genf, mit dem sie auch in die Niederlande umzog, bevor sie Ende 1934 nach Konstanz zurückkehrte.

Sie wohnte wieder im Elternhaus und arbeitete als Hausgehilfin in unterschiedlichen Einrichtungen, unter anderem als Küchenmädchen in der Konstanzer Heil- und Pflegeanstalt und zuletzt in der Emmishofer Straße als Hausgehilfin in der „Corso-Bar“.

Wie Bertha Schroff 1937 ins Visier der Fahnder zur „Aufartung“ des „gesunden Volkskörpers“ geriet, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Am 14. April 1937 wurde sie von Dr. Kurt Mollweide, Facharzt für Innere Medizin, angezeigt, der bei ihr „Schizophrenie“ vermutete. Ihm war ihr „eigentümliches, unfreies und gebundenes Leben“ aufgefallen. Auf Basis eines von Medizinalrat Dr. Held verfassten amtsärztlichen Gutachtens („Seit Jahren gilt sie als merkwürdig, verschroben und verschlossen.“) stellte das Gesundheitsamt Konstanz am 9. September 1938 den Antrag auf Unfruchtbarmachung der damals 27-jährigen Frau.

Am 3. Oktober 1938 kam es zur Verhandlung vor dem Erbgesundheitsgericht. Den Vorsitz hatte Amtsgerichtsrat Dr. Heidlauff, als Beisitzer fungierten Medizinalrat Dr. Voncken (Stockach) und Obervertrauensarzt Dr. Montfort (Überlingen). Bertha Schroff kam mit ihrem Vater:

Zitat aus der Zwangsverfügung: „Die beiden Erschienenen erklären übereinstimmend, sie könnten sich keinesfalls mit einer Unfruchtbarmachung einverstanden erklären, da nicht angenommen werden könne, dass die Hilda Berta Schroff an Schizophrenie leide. Insbesondere erklärte die Unfruchtbarzumachende, sie müsse zwar zugeben, dass sie schon als Kind sehr ängstlich gewesen sei und auch jetzt noch sehr häufig Angstgefühle habe. Trotzdem sei sie jedoch gut in der Lage, die ihr als Hausgehilfin obliegenden Arbeiten zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebers auszuführen.

Verzweifelte Einwände, die das Gericht jedoch nicht gelten ließ:
Nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass etwaige Nachkommen der Hilda Berta Schroff ebenfalls an schweren geistigen oder körperlichen Erbschäden leiden werden.
Mit dieser Standardbegründung, die sich in den meisten der Sterilisationsbeschlüsse findet, ordneten die Richter ihre Unfruchtbarmachung an. Danach schien die Familie im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles versucht zu haben, ihre Tochter vor diesem Schicksal zu bewahren: Berthas Akte dokumentiert, dass sie jede postalisch zugestellte amtliche Anordnung, sich in der Konstanzer Frauenklinik einzufinden, ignorierte. Bis das Gesundheitsamt den Landrat aufforderte, Bertha Schroff durch Polizeibeamte in die Klinik zu überstellen: Am 1. Februar 1939 schließlich bestätigte Dr. Kurt Welsch, der Leiter der Frauenklinik, die Unfruchtbarmachung der an vermeintlich „angeborenem Schwachsinn“ leidenden Frau. „Die Operierte wurde am 17.2.1939 als geheilt entlassen“.

Zwei Jahre später – die Konstanzer Heil- und Pflegeanstalt war nach der Deportation der 531 Patientinnen und Patienten geschlossen worden und beherbergte nun eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) – wurde Bertha Schroff in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen eingewiesen. Dort starb sie drei Jahre später am 30. Mai 1944 im Alter von nur 33 Jahren, laut Totenschein an Lungentuberkulose und Lungenkrebs.

In diesem Jahr ist laut Dr. Heinz Faulstich, dem Pionier der historischen Erforschung der Patientenmorde in Baden, für Emmendingen eine Übersterblichkeit von 12,7 Prozent zu verzeichnen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Bertha Hilda Schroff durch die Verweigerung medizinischer Behandlung und systematisches Verhungernlassen starb.
Ihr Leichnam wurde im folgenden Monat nach Konstanz überführt und auf dem Wollmatinger Friedhof bestattet.

Recherche: Roland Didra / Sabine Bade
Patenschaft: Dorothee Jacobs-Krahnen

Quellen & Literatur:

Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen - Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024;
Faulstich, Heinz: Hungersterben in der Psychiatrie 1914–1949, Freiburg 1998, S. 361;
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg B 132/1 Nr. 925;
Privatarchiv Willi Schroff (alle Fotos);
Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldekarte


Anmerkung zu unterschiedlichen Schreibweisen des Namens:
"Bertha Hilda Schroff" ist der Eintrag in der Geburtsurkunde. Laut Aussage ihres Neffen ( Willi Schroff in KN) , wurde seine Tante aber immer wieder unterschiedlich genannt bzw. geschrieben, sowohl von Angehörigen als auch von Behörden. (Hilda, Hilde, Berta mit und ohne h, Hilda Bertha oder umgekehrt). So findet sich auch fälschlicherweise "Hilda Berta Schroff" im oben erwähnten Schreiben des Erbgesundheitsgerichts.
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