Rachel
Steinem

1862 - 1950 I
Bodanstraße 25
Stolperstein verlegt am 20.05.2025
Rachel Steinem Bodanstraße 25

Rettung aus Gurs

Rachel Steinem wurde als Rachel Seligmann am 29. April 1862 in Wangen am Bodensee geboren. Sie hatte zwei Geschwister, Babette (geb. 1860) und Hermann (1864-1939). Sie war verheiratet mit Felix Steinem (4.5.1863–18.3.1922). Ihr Mann stammte aus Merchingen im heutigen Neckar-Odenwald-Kreis. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Merchingen eine blühende jüdische Gemeinde mit Synagoge und eigenem Friedhof. Etwa 20 % der Einwohner waren Juden. Felix Steinem war Lehrer in Breisach und interessierte sich besonders für die Geschichte des alemannischen Judentums. So schrieb er 1901 einen Aufsatz über den jüdischen Friedhof von Wangen auf der Höri. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Sammler von Judaika, d.h. jüdischen Kultgegenständen und alten Thora-Ausgaben. Die Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tod ihres Mannes 1922 zog Rachel Steinem nach Konstanz zu ihrem Bruder Herrmann Seligmann in die Bodanstraße 25. Seligmann war Viehhändler und vor allem in den Dörfern auf dem Bodanrück tätig.

Seit 1933 verließen viele Konstanzer Juden ihre Heimatstadt, um den zunehmenden Übergriffen der Nazis zu entgehen. Rachel Steinem fühlte sich zu alt für die Emigration. Am 4. August 1939 vermerkte die Meldebehörde auf ihrer Einwohnerkarte: „Wegen fortgeschrittenen Alters keine Auswanderungsabsicht“. Rachel Steinem war zu diesem Zeitpunkt 77 Jahre alt. Ihr Neffe Bruno, der bereits 1938 in die Schweiz emigriert war, hätte ihr wahrscheinlich bei der Emigration helfen können.


Am Morgen des 22. Oktobers 1940 wurde Rachel Steinem zusammen mit 112 Konstanzer Juden von der Polizei aus ihrer Wohnung in der Bodanstraße 25 geholt und vom Bodanplatz mit Bussen zum Petershauser Bahnhof gebracht. Von dort ging es in einer dreitägigen Eisenbahnfahrt fast ohne Verpflegung und Wasser nach Gurs am Fuße der Pyrenäen im Südwesten Frankreichs. Von diesem Schicksal waren 112 Juden aus Konstanz und über 6500 Juden aus Baden und der Saarpfalz betroffen.

Seit 1933 verließen viele Konstanzer Juden ihre Heimatstadt, um den zunehmenden Übergriffen der Nazis zu entgehen. Rachel Steinem fühlte sich zu alt für die Emigration. Am 4. August 1939 vermerkte die Meldebehörde Konstanz auf ihrer Einwohnerkarte: „Wegen fortgeschrittenen Alters keine Auswanderungsabsicht.“ Rachel Steinem war zu diesem Zeitpunkt 77 Jahre alt. Ihr Neffe Bruno, der bereits 1938 in die Schweiz emigriert war, hätte ihr wahrscheinlich bei der Emigration helfen können.

Am Morgen des 22. Oktobers 1940 wurde Rachel Steinem zusammen mit 112 Konstanzer Juden von der Polizei aus ihrer Wohnung in der Bodanstraße 25 geholt und vom Bodanplatz mit Bussen zum Petershauser Bahnhof gebracht. Von dort ging es in einer dreitägigen Eisenbahnfahrt fast ohne Verpflegung und Wasser nach Gurs am Fuße der Pyrenäen im Südwesten Frankreichs. Von diesem Schicksal waren 112 Juden aus Konstanz und über 6500 Juden aus Baden und der Saarpfalz betroffen.

Das Mobiliar ihrer Wohnung und die wertvolle Judaika-Sammlung ihres 1922 verstorbenen Mannes wurden Anfang Januar 1941 im Konzil in Konstanz öffentlich versteigert. Der Erlös ging an das Reichsfinanzministerium.


Rachel Steinem überstand den schrecklichen Winter 1940/41 im Lager Gurs, der Hunderten von Juden wegen Erschöpfung und Krankheiten das Leben kostete. Im Januar 1941 überwies ihr Neffe Bruno, der Sohn ihres Bruders Hermann, aus der Schweiz die größere Summe von 2000 französischen Franc, was ihr das Überleben sicherte. Nachdem ihr Neffe für sie auch die Einreiseerlaubnis in die Schweiz und einen Heimplatz im jüdischen Altenheim Lengnau im Kanton Aargau organisiert hatte, durfte sie das Lager verlassen und lebte zunächst in verschiedenen Altenheimen und Hotels in Billère und Gan in der Umgebung von Pau, der Hauptstadt des Département Pyrénées-Atlantiques. Es sollte aber noch über ein Jahr vergehen, bis sie Frankreich tatsächlich verlassen konnte.


Bei Genf passierte Rachel Steinem die Grenze zur Schweiz. Ihr Ziel war das jüdische Altersheim in Lengnau im Kanton Aargau, wo sie am 2. Februar 1942 eintraf. Die Kosten für das Altersheim übernahm ihre Nichte Frieda Brandeis-Ortlieb aus Zürich. Über ihre Jahre im Altersheim ist nicht bekannt. Lediglich ein ärztliches Bulletin aus dem Jahr 1948 hat sich erhalten, in dem vermerkt ist, dass sie an Jom Kippur auf ärztliche Weisung Speisen und Getränke zu sich nehmen musste. Jom Kippur, der Versöhnungstag, ist einer der höchsten jüdischen Feiertage und wird von frommen Juden traditionell als strenger Ruhe- und Fastentag begangen.


Am 27. Februar 1948 erhielt sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft zurück. Ihre Heimatstadt Konstanz hat sie wahrscheinlich nicht wieder gesehen. Für die von den Nazis geraubte wertvolle Judaika-Sammlung ihres Mannes wurde sie nicht entschädigt. Für ihre Haftzeit im Lager Gurs erhielt sie eine geringe Entschädigung.


Rachel Steinem starb am 11. Juni 1950; sie wurde 88 Jahre alt und fand auf dem jüdischen Friedhof in Lengnau ihre letzte Ruhestätte.

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: N.N.

Quellen & Literatur:

Quellen:
Staatsarchiv Freiburg. F 196/1 Nr. 8282; F 166/3 Nr. 3990
Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques. AD64_72 W 68 und AD64_72 W 335 Staatsarchiv Aarau, Krankenakte Rachel Steinem, A 1951-04-02

Literatur:
Jüdischer Kulturraum Aargau. Baden: Hier und Jetzt Verlag 2020

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