Hedwig Henriette Picard wurde am 11. März 1892 in Konstanz geboren. Ihr Vater war der bekannte Konstanzer Arzt Dr. Daniel Guggenheim (1861 – 1915). Ihr Bruder war der Kinderarzt Dr. Richard Guggenheim (1894 – 1976), der 1937 in die USA floh.
Während des Ersten Weltkrieges engagierte sich Hedwig Picard in der Pflege von verletzten Soldaten, wofür ihr 1917 das Kriegshilfekreuz vom badischen Großherzog verliehen wurde.
Am 9. November 1914 heiratete sie Josef Picard. Ihr gemeinsamer Sohn Peter Julius kam am 7. Januar 1919 in Konstanz zur Welt.
Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 betrieb Josef Picard die Auswanderung in die USA. Wegen des Versuchs, Wertsachen illegal in die Schweiz zu transferieren, wurde Hedwig Picard am 6. Juni 1939 vom Amtsgericht Konstanz zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, wovon ihr drei Monate Untersuchungshaft angerechnet wurden.
Die nationalsozialistischen „Bodensee-Rundschau“ hatte unter der Überschrift „Jüdische Schädlinge vor Gericht“ ausführlich über den Prozess berichtet. Nach dem Devisenbewirtschaftungsgesetz vom 12. Dezember 1938 war die Ausfuhr von Auswanderer-Umzugsgut verboten. Am 20. Juni 1939 wurde sie in das Gefängnis von Bruchsal eingeliefert, Ende September 1939 wurde sie wieder entlassen.
Anfang Oktober 1939 musste die Familie Picard ihre geräumige Wohnung in der Wilhelmstraße 8 räumen und in ein Judenhaus in der Bodanstraße 22 (damals Saarlandstraße) umziehen. Sein vermietetes Anwesen (geräumige 5-Zimmer-Wohnung mit Mansarde und Hofstück) in der Zasiusstraße 9 musste Hedwigs Mann, Josef Picard, weit unter Wert verkaufen.
Am 18. März 1940 verließ das Ehepaar Picard Konstanz in Richtung Genua, wo es sich mit der „SS Washington“ nach New York einschiffte. Am 1. April 1940 betraten Hedwig und ihr Mann Josef Picard amerikanischen Boden.
In Los Angeles fand das Ehepaar schließlich eine neue Bleibe. Josef Picard nahm eine Stelle als Hausmeister an, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Am 27. August 1940 wurde dem Ehepaar Picard die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, im Mai 1946 wurden beide amerikanische Staatsbürger.
Als 1965 der damalige Oberbürgermeister von Konstanz, Dr. Bruno Helmle, allen vor dem Krieg emigrierten Konstanzer Juden den „Konstanzer Almanach“ zuschickte – die Adressen hatte er von Erich Bloch bekommen – , bedankte sich Henriette Hedwig Picard aus Los Angeles mit folgenden Worten: „Als wir vor 25 Jahren hier ankamen, hätten wir niemals gedacht, dass wir je wieder von dem Oberbürgermeister unserer geliebten Heimatstadt einen solch liebenswürdigen Brief bekommen würden. Mein Mann war Architekt in Konstanz und hat viel zur Verschönerung der Stadt beigetragen… Mein Mann war schon 60 Jahre alt, als wir unsere Heimat verlassen mussten, welche er unendlich geliebt hat. Er hat die Schande nie überwunden… Er hat sich so sehr gegrämt, dass er herzkrank wurde und schon 1946 starb.“
Hedwig Picard überlebte ihren Mann Josef um mehr als 30 Jahre und starb hochbetagt am 16. Oktober 1979 in Los Angeles in Kalifornien.