Rosa
Moerschner

1886 - 1942 I
Mangoldstraße 21
Stolperstein verlegt am 19.05.2024
Rosa Moerschner Mangoldstraße 21

Rosa Moerschner, geb. Oplat, stammte aus einer jüdischen Familie in Wien. Ihre Eltern waren Simon Samuel Oplat und Ernestine, geb. Schweinburg; sie scheinen nicht sehr wohlhabend gewesen zu sein, da sie im 2. Wiener Gemeindebezirk zu Hause waren, der im Volksmund „Mazzesinsel“ hieß und wo viele arme Juden, besonders aus Galizien wohnten.

Rosa war verheiratet mit Fritz Moerschner, der kein Jude war. Sie lebte also in einer sogenannten Mischehe. Von Beruf war sie Schauspielerin. Ihr Mann war ebenfalls Schauspieler und Sänger, der unter dem Künstlernamen Georg Werbing auftrat. Er hatte vor dem Ersten Weltkrieg Engagements an Theatern in Berlin, Hildesheim, Stendal und Sagan (Schlesien). Fritz Moerschner fiel Anfang Januar 1916 an der russischen Front.

Das Ehepaar Moerschner hatte eine Tochter mit Namen Bertha. Sie wurde am 31. Mai 1913 in Walsrode geboren und wurde wie ihre Eltern Schauspielerin; zudem machte sie eine Ausbildung zur Sängerin (Operettensoubrette). Als „jüdischer Mischling“ durfte sie nach 1933 nicht mehr auftreten. Sie musste ihren Lebensunterhalt als Haushaltsgehilfin und zwangsverpflichtete Fabrikarbeiterin verdienen.

Sie war mit einem Nichtjuden, Fritz Haller, liiert, der Ende des Krieges als Soldat fiel. Sie durfte ihn aber nicht heiraten, weil die Nürnberger Rassengesetze von 1935 ihr dies verboten. Mit ihm hatte sie einen Sohn mit Namen Wolfgang, geb. am 29.03.1939 in Braunschweig. Nach 1935 wohnte sie zeitweise bei ihrer Mutter in Konstanz. Wo sich Bertha Moerschner nach der Deportation ihrer Mutter und während des Krieges aufhielt, ließ sich nicht eruieren.

Nach dem Krieg wohnte Bertha Moerschner in Leipzig. Als Schauspielerin nannte sie sich jetzt Bertl Moerschner-Haller. Unter anderem spielte sie 1971 und 1975 in „Polizeiruf 110“, 1978 in „Schneeweißchen und Rosenrot“ und 1979 in „Du und icke in Berlin“. Sie war Mitglied der SED und mehrerer gesellschaftlicher Organisationen wie der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und des Demokratischen Frauenbundes.

Da sie nicht nachweisen konnte, wann und wo ihre Mutter von den Nazis ermordet worden war, wurde sie nicht als Opfer des Faschismus anerkannt; sie erhielt damit auch keine materiellen Zuwendungen vom Staat. Sie starb am 19. November 2009 in Leipzig. Ihr Sohn, Wolfgang Haller war Filmproduzent. Er starb 2021 in Leipzig.

Rosa Moerschner kam Anfang August 1935 von Frankfurt nach Konstanz. Nicht bekannt ist, warum sie nach Konstanz übersiedelte. Denkbar ist, dass sie bei einer Frankfurter Bühne als Schauspielerin engagiert war und nach 1933 als Jüdin entlassen wurde. Möglicherweise hoffte sie, von Konstanz in die nahe Schweiz zu emigrieren. In Konstanz wohnte sie in einer städtischen Wohnung der Mangoldstraße 21, ein Indiz vielleicht dafür, dass sie mittellos war.

Am 20. Oktober 1940 wurde sie zusammen mit 112 Juden aus Konstanz in das Lager Gurs (Südwestfrankreich) deportiert. Von Gurs wurde sie am 3. Juli 1942 in das Lager Rivesaltes verlegt. Rivesaltes liegt etwa 50 km nördlich der spanischen Grenze auf einem kargen Plateau, das starken Winden ausgesetzt ist. Das raue Klima, die schrecklichen sanitären Bedingungen und die ständige Unterernährung der Gefangenen forderten viele Menschenleben. Eine große Hilfe waren für sie die Sach- und Geldspenden der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen.

Von Rivesaltes wurde Rosa Moerschner am 11. August 1942 zusammen mit 400 Juden und Jüdinnen nach Drancy verlegt, einem Durchgangslager bei Paris und Ausgangsbahnhof für die Transporte in die Todeslager im Osten.

In der Deportationsliste wurde ihr Name fälschlicherweise Moerschener geschrieben. Am 14. August 1942 wurde sie mit dem 19. Transport (Zug 901-14) von Drancy nach Auschwitz deportiert. Der Transport umfasste 991 Personen, die aus vier Lagern der sogenannten freien Zone, Rivesaltes, Les Milles, Noé und Récébédou, kamen. Die Fahrt im Viehwaggon von Drancy nach Auschwitz dauerte zwei Tage. Nur 195 Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren überlebten den Transport. Die übrigen 866 Personen, darunter alle Frauen und Kinder, wurden nach der Ankunft sofort vergast.

Da nicht bekannt ist, ob Rosa Moerschner während des Transports starb oder erst in Auschwitz ermordet wurde, wurde ihr offizielles Todesdatum auf den 14. August 1942 gelegt, den Tag der Abfahrt des Zuges von Drancy nach Auschwitz.

Im „Memorial de la Shoah“ in Paris, der zentralen Gedenkstätte an den Holocaust in Frankreich, ist Rosa Moerschner auf Tafel 75, Zeile 25 unter dem Namen Rosa Moerschener verewigt.

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: Iris KANE

Quellen & Literatur:

Deutsches Theater Lexikon
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Akte 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirks Leipzig, Nr. 13786
Stadtarchiv Konstanz
United States Holocaust Memorial Museum, Washington
Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques, Pau, Frankreich, Fiche AD64 72W66
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