Erika
HITSCHLER

1931 - 1940 I
Taborweg 24
Stolperstein verlegt am 13.09.2015
Erika HITSCHLER Taborweg 24

Ein junges Leben ausgelöscht durch das Verbrechen der „Aktion T4“

Erika Hitschler wurde am 28. Oktober 1931 in Konstanz geboren. Ihr Leben endete sechs Wochen vor ihrem neunten Geburtstag mit ihrer Ermordung in der Mordanstalt Grafeneck.

Erikas Eltern waren Berta (geb. Nill) und Erwin Hitschler. Der Vater stammte aus Frankenthal in der Pfalz und war von Beruf Laborant und später Drogist. Die Mutter kam aus Pforzheim. Sie heirateten am 8. Juni 1929 und wohnten seither in Konstanz, zuerst in der Markgrafenstraße 57, dann in der Sigismundstraße 4 und später im Taborweg 24.
Erika hatte vier Geschwister, zwei ältere Schwestern, Elfriede und Ruth, die in den Jahren 1927 und 1930 zur Welt kamen, und zwei Brüder, Manfred und Hansjörg, die 1935 beziehungsweise 1936 geboren wurden. In der Einwohnermeldekarte findet sich der Eintrag „gottgläubig ganze Familie 17.1.38“. Was bedeutete, dass die Hitschlers nicht kirchlich konfessionell gebunden waren, aber Religions- und Gottlosigkeit verwarfen.

Erika wurde am 11. April 1934 im Alter von zweieinhalb Jahren in der „Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache“ in Mosbach aufgenommen, einer Einrichtung der evangelischen Inneren Mission.
Mit drei Transporten innerhalb einer Woche – am 13. September, 17. September und 20. September 1940 – wurden 218 Pfleglinge der Anstalt von Mosbach und aus dem angegliederten Schwarzacher Hof nach Grafeneck deportiert.

Mit 89 weiteren Menschen – darunter auch Mathilde Althoff aus Konstanz – musste Erika am 17. September 1940 einen der grauen Busse des zweiten Transports besteigen und wurde noch am selben Tag in Grafeneck vergast und eingeäschert.

Nur zwei Schriftstücke blieben erhalten, die an das achtjährige Mädchen erinnern.
 
Aus der Trauerkarte geht hervor, dass die Hitschlers, wie Zehntausende anderer Hinterbliebene, eine Todes­benachrichtigung einer Mordanstalt mit falschen Angaben erhalten haben. Im knappen Text der Familie Hitschler, die mittlerweile nach Berlin verzogen war, steht:
 
Am 4. Okt. entschlief unser liebes Kind Erika an Lungenentzündung in Grafeneck. Mit der Bitte um stilles Beileid. In tiefer Trauer, Familie Erwin Hitschler, Berlin-Tempelhof, den 14. Oktober 1940. Die Ein­äscherung und die Beisetzung der Urne fand in Grafeneck statt.
 
Erika wurde dort jedoch bereits 2 Wochen zuvor grausam ermordet.
 
Mit der Trauerkarte informierten die Eltern auch den Anstaltsleiter der „Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache“ in Mosbach, Pfarrer Robert Wilckens. Dieser schickte den Eltern ein Beileidsschreiben, worauf Frau Hitschler mit folgendem kurzen Schreiben antwortete.
 
Für Ihre lieben Zeilen, möchte ich Ihnen hiermit meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Sie waren für mich ein besonderer Trost und unsere Erika hat nun alles überstanden. Nur über die Todesursache komme ich noch nicht darüber hinweg. Auch den Schwestern noch meinen besonderen Dank und grüsse Sie Herr Direktor sowie die Schwestern.
 
Frau Berta Hitschler

Recherche: Roland Didra
Patenschaft: Heidi Kohlhaas

Quellen & Literatur:

Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen - Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024 (hier verfügbar);
Archiv Hans-Werner Scheuing;
Bundesarchiv (BArch): Bestand R 179, Nr. 24850;
Scheuing, Hans-Werner: „...als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden“: Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache
Mosbach/Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933–1945, 2. Aufl., Heidelberg 2004;
Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldekarte
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