Erna Freistetter wurde am 12. November 1915 als Tochter des Schlossermeisters Robert Freistetter und seiner Frau Rosalie, geborene Muffler, in Konstanz geboren. Sie war wie ihre ältere Schwester Hildegard gehörlos. Erna besuchte einige Jahre die Konstanzer Hilfsschule, konnte dem nicht auf Gehörlose ausgerichtetem Unterricht aber nur schwer folgen.
Am 15. August 1936 zeigte der Allgemeinmediziner Dr. Hermann Sauter die damals 20-jährige Erna Freistetter im Rahmen des Vollzugs des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beim Konstanzer Gesundheitsamt an. Mit diesem Gesetz und der Unterscheidung zwischen „erbgesund“ und „erbkrank“ war zum 1. Januar 1934 ein Instrument geschaffen worden, das der – aus der Sicht des NS-Regimes – vorliegenden „Degeneration“ des deutschen Volkes entgegenwirken sollte, indem als „erbkrank“ erachtete Menschen auch gegen ihren expliziten Willen an der Weitergabe ihrer minderwertigen Erbanlagen“ gehindert werden sollten. Für Dr. Sauter, der Erna Freistetter Jahre zuvor lediglich wegen einer Atemwegserkrankung behandelt hatte, stand fest, dass Erna an „angeborenem Schwachsinn“ litt.
Das Erbgesundheitsgericht Konstanz unter Vorsitz von Amtsgerichtsrat Dr. Walter Gerbel verfügte am 23. November 1936 sowohl ihre wie auch die Unfruchtbarmachung ihrer Schwester wegen „angeborenem Schwachsinn und erblicher Taubheit“. Die Operation führte Dr. Kurt Welsch, der Leiter der Konstanzer Frauenklinik, am 06. August 1937 durch.
Erna Freistetter zählt zu den bisher ermittelten 295 Konstanzerinnen und Konstanzern, die zwischen 1934 und 1945 zwangsweise sterilisiert wurden. Sie überlebte (anders als reichsweit circa 5000 Menschen) dieses erste planmäßige Massenverbrechen des NS-Regimes, wie Dr. Heinz Faulstich, der Nestor der badischen Psychiatriegeschichte, diese Taten zu Recht bezeichnete.
Erna Freistetter starb am 19. April 1949 im Alter von nur 33 Jahren in Konstanz.