Anna Theresia Madlinger wurde am 8. Februar 1899 als Tochter von August Madlinger und seiner Ehefrau Wilhelmine, geb. Klumpp, in Achern geboren. Wilhelmine Madlinger starb, als Anna dreieinhalb Jahre alt war. Aus der zweiten Ehe ihres Vaters gingen zwei weitere Kinder hervor.
Nach Abschluss der Volksschule besuchte Anna Madlinger mehrere Hauswirtschaftskurse und lernte nähen. Danach arbeitete sie in verschiedenen Haushalten, bevor sie im Jahr 1921 dem Orden der Schwestern zum Heiligen Kreuz in Hegne beitrat. Sie nahm den Namen Schwester Otmunda an und durchlief in Hegne eine Ausbildung zur Kinderschwester.
Danach arbeitete sie als Leiterin der Kindergärten der Pfarrämter in Rielasingen (1923-1925), Neckarelz (1925-1932) und Bad Krozingen (1932-1937), bevor sie vom Kloster Hegne in das 1924 gegründete Katholische Kinderheim „Haus Nazareth“ in der Konstanzer Säntisstr. 4 abgeordnet wurde. In diesem vom „Katholischen Fürsorgeverein für Frauen, Mädchen und Kinder“ getragenen Kinderheim war Schwester Otmunda für die Betreuung der vier- bis vierzehnjährigen Mädchen zuständig.
Bereits bei ihrer Arbeit in Bad Krozingen hatte sich die karitative Arbeit der Ordensschwestern nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 extrem verschärft: Wo irgend möglich versuchten die Mitglieder von NSDAP-Organisationen den Einfluss der Kirchen in der lokalen Gesellschaft und ihre äußerst wichtige Bedeutung in der gemeindlichen Sozialpolitik auszuschalten.
In Konstanz, wo Schwester Otmunda ab 1937 wirkte, war diese Entwicklung bereits weit fortgeschritten. So hatte beispielsweise bereits ein Antrag der NS-Frauenschaftsleiterin Hanna Bunten im Sommer 1933 dazu geführt, die Führung der Walderholungsstätte des Katholischen Fürsorgevereins, der eng mit der Caritas zusammenarbeitete, per Stadtratsbeschluß auf die NS-Frauenschaft zu übertragen und damit der Partei maßgeblichen Einfluß auf die Erziehung der Kinder zu sichern (vgl. Trapp, S. 245).
Von der NS-Volkswohlfahrt 1935 ausgehende Beschwerden – etwa daß die Kindergärten nicht im nationalsozialistischen Geiste geleitet werden, die Kinder nicht den Hitlergruß zeigten und auch keine nationalsozialistischen, sondern nur „fromme“ Lieder gesungen würden – führten dazu, dass die Leitung der Häuser sukzessive an NS-Organisationen übertragen werden mussten. Dass Ordenschwestern nach dieser „Gleichschaltung“ dennoch in den jeweiligen Häusern weiterarbeiten konnten, lag ausschließlich am fehlendem entsprechend geschulten NSDAP-Personal.
Schwester Otmunda wurde im Sommer 1942 denunziert: Nach ihrer eigenen, Jahrzehnte später verfassten Aussage hatte sie eine Gruppe Mädchen aus dem „Haus Nazareth“ statt zum BDM-Unterricht mit zum Obstsammeln auf die Insel Reichenau genommen. Kurz darauf erschienen Männer der Gestapo und verhafteten sie. „Misshandlung“ der ihr anvertrauten Kinder wurde ihr zur Last gelegt. „An den Haaren herbei gezogen“ nannte sie viele Jahre später diese Vorwürfe. Und dass sie vor die Wahl gestellt worden sei, entweder den Orden zu verlassen und zukünftig als Spitzel zu arbeiten oder in ein Konzentrationslager eingeliefert zu werden.
Am 11. September 1942 wurde Schwester Otmunda inhaftiert (*). Nach Monaten der Haft im Konstanzer Gefängnis verurteilte das Landgericht Konstanz sie am 12. Februar 1943 wegen „Kindesmisshandlung“ zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten, auf die die bis dahin abgeleistete Untersuchungshaft angerechnet wurde. Am 16. März 1943 erfolgte ihre Verlegung in die Frauenstrafanstalt Gotteszell in Schwäbisch Gmünd.
Mit Schreiben vom 6. Mai 1943 verständigte die Staatspolizeileitstelle Karlsruhe den Vorstand der Strafanstalt darüber, dass das Reichssicherheitshauptamt Berlin am Vortag über Anna Madlinger (Schwester Otmunda) „Schutzhaft“ verhängt und ihre Überführung in das Konzentrationslager Ravensbrück verfügt hatte.
Am 30. Juli 1943 wurde Schwester Otmunda in das KZ Ravensbrück verschleppt. Sie erhielt die Haftnummer 21629. Mitte November wurde sie in das Aussenlager Neubrandenburg verlegt.
Rund 2.000 weibliche KZ-Häftlinge aus dem Konzentrationslager Ravensbrück mussten dort unter Anleitung deutscher Zivilarbeiter und unter Aufsicht von SS-Personal im Winter 1943/44 die zum großen Teil unterirdisch gelegenen Baracken und Produktionsstätten für die Herstellung von Teilen der sogenannten Vergeltungswaffen V1 und V2 errichten. Anschließend mussten sie Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten.Das Konzentrationslager war von einem Starkstromzaun umgeben und mit Wachtürmen gesichert. Gearbeitet wurde montags bis samstags in zwei Schichten zu je 12 Stunden. Unterirdisches Arbeiten, katastrophale Mangelernährung und die brutale Behandlung durch die Wachmannschaft führten zu einer hohen Sterblichkeitsrate.
In der Nachkriegszeit machte Schwester Otmunda keine Aussagen über das im KZ selbst erlittene und miterlebte Leid. Überliefert ist lediglich, dass sie im Krankenrevier arbeitete und sich dort der Pflege der Infektionskranken widmete, auch selbst an Paratyphus erkrankte und einen Herzinfarkt erlitt.
Nach der Befreiung des KZ Neubrandenburg gelangte sie mit einem Transport des Internationalen Roten Kreuz Ende April 1945 nach Lübeck. Dort im Marienkrankenhaus lernte sie eine weitere befreite Kreuzschwester kennen, mit der zusammen sie sich auf den Weg zurück nach Hegne machte. Dort trafen sie am 10. September 1945 ein.
Aus einem Brief an eine Freundin wissen wir, dass Schwester Otmunda bereits vier Wochen nach ihrer Ankunft in Hegne in eine Krankenpflegestation in Baden-Baden versetzt wurde.
Nach Paratyphus und erlittenem Herzinfarkt im KZ kam diese neuerliche Aufgabe für sie zu früh. Sie schrieb: „Ich konnte beim besten Willen nicht mehr.“ Sie schrieb weiter, dass sie „durch das harte Nichtverstandenwerden“ der Versuchung nachgab, den Ordensberuf aufzugeben. Sie verließ am 9. März 1946 den Orden der Kreuzschwestern. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt war ihr klar, dass sie – nach entsprechender Rekonvaleszenz – wieder karitativ wirken wollte.Dass sie dies Vorhaben in die Tat umsetzte, zeigen ihre späteren Beschäftigungsverhältnisse als Leiterin des katholischen Kindergartens des Pfarramtes Mosbach und Leiterin des Mädchenheimes „Haus unserer lieben Frau“ in Freiburg – bevor sie aus gesundheitlichen Gründen zum 1. September 1951 endgültig als arbeitsunfähig eingestuft wurde.
Anna Madlinger kehrte – krank und gänzlich ohne Einkommen – nach Achern zurück und musste jahrelang um eine Entschädigung für ihre KZ-Haft kämpfen. Letztlich wurden ihr durch die Landesamt für Wiedergutmachung Freiburg 4000 Mark zugestanden. Nur aus Erzählungen wissen wir, dass Anna Madlinger in Achern sehr beengt und fast mittellos gelebt hat, sie aber dennoch private Besuche bei Kranken und Sterbenden unternahm.
Mitte September 1982 zog Anna Madlinger in das Kreisalten- und Pflegeheim in Jestetten im Landkreis Waldshut, wo sie am 9. März 1984 starb.
* In späteren Selbstzeugnissen gab Anna Madinger ihre Verhaftung mehrmals irrtümlich mit „im Juli 1943“ an und verwechselte neben ihrer Verhaftung (11. September 1942) auch ihre Verlegung in das Frauengefängnis Gotteszell mit jener in das KZ Ravensbrück.