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Stolpersteine Konstanz

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Albert ROSENFELD, 1877 – 1940

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1877 Geb. in Konstanz

1940  Deportation

Gurs

5.11.1940 Tot

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Kreuzlinger Str. 5 heute
(2018)

 
Foto: © Wolfram  Mikuteit

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Stolperstein für
Albert ROSENFELD
verlegt am 9.7.2018
Foto: © Wolfram  Mikuteit

 

Bruder: Siegfried ROSENFELD

Albert Rosenfeld wurde am 30. Januar 1877 in Konstanz geboren. Seine Eltern waren der Tuchhändler Jakob Rosenfeld (1847-1905) und Emma, geb. Kiefe (1854-1931). Die Vorfahren der Familie Rosenfeld stammten aus Worblingen im Hegau.

 

Jakob Rosenfeld, Alberts Vater, war ein angesehener Bürger in Konstanz. 1893 ließ er sich in der Kreuzlinger Straße 5 ein repräsentatives Bürgerhaus bauen, das gleichzeitig auch der Firmensitz war. Er war ein engagierter Bürger für das Gemeinwohl: So war er Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und saß seit 1880 mehrere Jahre für die Nationalliberale  Partei im Bürgerausschuss der Stadt. Auch in der Konstanzer jüdischen Gemeinde war er ein geschätzter Mann, war er doch mehrere Jahre Mitglied des Synago­genrats.

Albert Rosenfeld hatte zwei Geschwister: Siegfried und Cäcilie.  Cäcilie war mit Richard Erlanger verheiratet, dem einzigen Sohn des Textilfabrikanten Jakob Erlanger. Richard fiel am 24. November 1917 an der italienischen Front. Cäcilie starb am 6. Juli 1931 in Konstanz. Alberts Bruder Siegfried wählte am 22. April 1938 den Freitod, indem er sich auf dem Speicher des elterlichen Hauses in der Kreuzlinger Straße 5 erhängte.

 

 

Die Brüder Albert und Siegfried lebten als Junggesellen im Haus. Nach dem Freitod von Siegfried war Albert Alleinerbe des elterlichen Hauses. Zum Haus gehörte ein Hofgrundstück mit 400 Quadratmetern. Im Haus selbst befanden sich noch vermietete zwei Läden und zwei Büros. Albert Rosenfeld ging keinem Beruf nach. Er lebte von den Mieteinnahmen und vom ererbten Privatvermögen, er war also „Privatier“, wie es damals hieß. Das zweistöckige Elternhaus war gutbürgerlich mit Biedermeier-Möbeln, Teppichen, Kristallvasen, einer kleinen Bibliothek, Ölbildern und Silberleuchtern eingerichtet, so erinnerte sich 1960 die Adoptivtochter des Rechtsanwalts Eduard Frank, die weitläufig mit der Familie Rosenfeld verwandt war. Sie hatte 1938 die Brüder Rosenfeld öfter in ihrem Haus besucht.

 

Die judenfeindlichen Gesetze der Nazis betrafen natürlich auch die Konstanzer Juden, die seit 1933 systematisch ausgegrenzt und gesellschaftlich geächtet wurden. Neben vielen anderen Gesetzen verboten die Nürnberger Gesetze von September 1935 die Ehe zwischen Juden und Nichtjuden. Ab August 1938 mussten jüdische Männer und Frauen als zusätzliche Vornamen „Israel“ und „Sara“ annehmen. Ab Oktober 1938 wurden die Pässe von deutschen Juden mit einem roten „J“ gestempelt. Und seit dem 1. September 1941 mussten alle Juden im Deutschen Reich in der Öffentlichket den gelben Judenstern tragen.

 

Ende November 1938 verkaufte Albert Rosenfeld sein Haus an einen Unternehmer aus Wiedenbrück in Westfalen. Der Freitod seines Bruders Siegfried, die Pogromnacht vom 9./10. November mit der Zerstörung der Synagoge und die Deportation von über 60 Konstanzer Juden ins KZ Dachau ließen ihn zu der Einsicht kommen, dass es für ihn als Juden in Deutschland keine Zukunft gab.

Mit dem Verkauf seines Hauses wollte er wahr­scheinlich seine Auswanderung finanzieren. Allerdings lag der erzielte Erlös weit unter dem tatsächlichen Wert des Anwesens. 1935 wurde der Einheitswert für bebaute und unbebaute Grundstücke im Deutschen Reich neu festgesetzt. In der Nazizeit galt der Grundsatz: Einheitswert ist gleich Verkaufswert. Mit diesem Grundsatz wollten die Finanzbehörden erreichen, dass einerseits jüdisches Vermögen nicht zum Nachteil des Staates (verminderte Steuer­einnahmen) verschleudert wurde, andererseits auswanderungswillige Juden nach Abzug der Reichsfluchtsteuer aber noch genügend Kapital für die Ausreise hatten. Der amtliche Einheitswert des Anwesens Kreuzlinger Straße 5 lag bei 33.000 Reichsmark; Albert Rosenfeld bekam für sein Haus aber nur 24.000 Reichsmark, also fast 30% weniger. Trotz Verkaufs blieb er weiter im Haus wohnen; zu welchen Konditionen ist nicht bekannt.

Anfang Oktober 1939 musste Albert Rosenfeld von der Kreuzlinger Straße 5 in die Rosgartenstraße 16 um­ziehen. Das städtische Wohnungsamt hatte ihm dort ein Zimmer bei dem kinderlosen Ehepaar Albert und Frieda Alexander zugewiesen. Eine Zeitzeugin erinnerte sich, dass wenige Tage nach seinem zwangsweisen Umzug ein LKW seine Möbel aus der Kreuzlinger Straße 5 abholte. Wahrscheinlich wurden sie auf einer Auktion am 6. und 7. Januar 1941 im Konzil an meistbietende Konstanzer Bürger versteigert.

Albert Alexander, bei dem Albert Rosenfeld jetzt wohnte, war ebenfalls Jude und von Beruf Schnei­dermeister. Im Februar 1940 wurde er wegen „deutschfeindlicher Äußerungen“ verhaftet, in den Konzentrationslagern von Dachau und Buchenwald interniert und schließlich im Dezember 1942 in Auschwitz ermordet.

 

 

Am 22. Oktober 1940 wurde Albert Rosenfeld zusammen mit 108 anderen Konstanzer Juden vom Bahnhof Petershausen nach deportiert. Unterbringung, Verpflegung und sanitäre Bedingungen im Lager waren katastrophal.

 

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Albert ROSENFELD
Karteikarte im Lager Gurs

(Quelle: Archives départementales des
Pyrénées-Atlantiques, Pau)

 

Nach 11 Tagen im Lager starb Albert Rosenfeld am 5. November 1940 an Altersschwäche („sénilité“), wie es im Totenschein wörtlich heißt. Er wurde 63 Jahre alt. Er gehörte zu jenen 655 überwiegend älteren Opfern, die im Winter 1940/41 an Krankheiten, Kälte, Erschöpfung oder Hunger starben.

 

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Albert ROSENFELD
Totenschein im Lager Gurs

(Quelle: Archives départementales des
Pyrénées-Atlantiques, Pau)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Recherche: Uwe Brügmann

Patenschaft: Alexander Stiegeler

Quellen:

Staatsarchiv Freiburg, F 196/1, 14775, F 196/1 Nr. 2347,  P303/4, 140

Stadtarchiv Konstanz

Auszug aus dem Grundbuchzentralarchiv bei dem Amtsgericht Ludwigsburg

Pau, Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques