Julie
MANN, geb. FRANK

1870 - 1957 I
Bahnhofstraße 5
Stolperstein verlegt am 18.05.2012
Julie MANN, geb. FRANK Bahnhofstraße 5

Zwischen Verfolgung und Heimat: Julie Manns bewegte Biografie während des Holocausts

Julie Mann, geb. Frank, wurde am 2. Dezember 1870 in Konstanz geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Max Levi Frank, der von 1864 bis 1875 Synagogenrat der Konstanzer jüdischen Gemeinde war. Ihre Mutter war eine geborene Bloch. Wie ihr Vater war auch Julie Mann in der jüdischen Gemeinde aktiv. So war sie lange Jahre 2. Vorsitzende im Israelitischen Frauenverein.

Wie viele Konstanzer Juden verkaufte das Ehepaar Mann 1939 angesichts der judenfeindlichen Politik der NS-Machthaber ihr Haus in der Bahnhofstraße. Käuferin war eine Frau Maria Kuhn aus Spaltenstein bei Friedrichshafen, die dem Ehepaar Mann ein Wohnrecht einräumte, das es bis zu seiner Deportation nach Gurs wahrnahm.

Das Ehepaar Mann gehörte zu den 108 Konstanzer Juden, die am Morgen des 22. Oktober 1940 verhaftet und von SS-Männern in den frühen Morgenstunden zum Bahnhof Petershausen gebracht wurden. Max Mann war zu diesem Zeitpunkt 74, seine Frau Julie 70 Jahre alt. Dort wartete ein Personenzug; der sie nach Gurs in Südfrankreich brachte. Außer einem Handkoffer und 100 RM durfte das Ehepaar nichts mitnehmen. Sie hatten etwas Nahrung bei sich, aber nichts zu trinken. Der Zug war bis zur französischen Grenze plombiert. Die Zustände im Lager waren grauenvoll: die Baracken primitiv, ohne Heizung und überbelegt, Strohsäcke zum Schlafen auf dem Boden, die Wege verschlammt, die Latrinen unbeschreiblich verdreckt, die medizinische Versorgung katastrophal und die Lebensmittel­versorgung völlig unzureichend. 800 Menschen sind allein 1940 im Lager gestorben. Julie Mann erkrankte an Ruhr und war bis auf die Knochen abgemagert. Das Ehepaar Mann wäre verhungert, wenn es nicht von der Familie Spiegel aus Kreuzlingen mit Lebens­mittelpaketen versorgt worden wäre.

Die Aufenthaltsstationen des Ehepaares Mann lassen sich wie folgt rekonstruieren: Vom 22. Oktober 1940 bis zum 26. Januar 1942 im Lager Gurs, vom 27. Januar 1942 bis zum 5. August 1942 in Récébédou, vom 6. bis 17. August 1942 in Noé.
 
Als die Vichy-Regierung ab August 1942 jüdische Häftlinge in mehreren Transporten nach Auschwitz deportieren ließ, wurden auf Betreiben des Erzbischofs von Lyon ältere jüdische Häftlinge in privaten Heimen untergebracht. Vom 18. August 1943 bis zum 4. Oktober lebten die Manns in einem Armenhaus in Dié, und vom 1. Oktober 1943 bis zum 29. Juli 1946 in einem Armenhaus in Romans-sur-Isère, beide im Depar­tement Drôme gelegen.
 
Vom 29. Juli 1946 bis zum 1. Februar 1951 schließlich lebte das Ehepaar Mann im Altenheim „Maison St. Jacques“ in Aix les Bains (Departement Savoyen), wo Max Mann am 12. April 1950 verstarb.
 
Im Alter von 81 Jahren kehrte Julie Mann in ihre Heimatstadt Konstanz zurück. Vor der Restitutionskammer beim Landgericht Konstanz verzichtete sie gegen eine Leibrente auf die Rückgabe ihres 1939 verkauften Hauses in der Bahnhofstraße. Allerdings klagte sie 1949 erfolgreich gegen zwei Konstanzer Bürger auf Herausgabe ihrer Möbelstücke, die diese auf der Auktion am 6. und 7. Januar 1941 im Konzilsgebäude ersteigert hatten. Auf dieser Auktion war das Eigentum der im Oktober 1940 nach Gurs deportierten Juden im Auftrag der Reichs­finanzverwaltung öffentlich versteigert worden.
 
Julie Mann starb kinderlos am 15. August 1957 in Konstanz. Begraben wurde sie auf dem jüdischen Friedhof in Kreuzlingen-Bernrain (Grab EG 60).

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: Roland Didra und Andrea Kraneburg-Didra

Quellen & Literatur:

Staatsarchiv Freiburg, Entschädigungsakte Julie Mann, F 196/1, 2367.
Bloch, Erich: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation. Konstanz: Rosgarten Verl., 1971, S. 169.
Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques, Pau.
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Familienmitglieder

Max
MANN

1866 - 1950 I
Bahnhofstraße 5