Anna Fürst, auch Anni oder Anne genannt, wurde am 12. Juli 1913 als einzige Tochter der Eheleute Moritz Max Fürst und Salomea Fürst, geb. Schmulewitz in Konstanz geboren. Hier lebte sie mit ihren etwa 1912 nach Konstanz gekommenen Eltern, ab 1920 im Haus in der Rheingasse 15, das ihr Vater 1920/1921 käuflich erwarb.
In den ersten Schuljahren besuchte Anna eigenen Angaben zufolge die Mädchenschule des Klosters Zoffingen. Sie galt als kränkliches Kind. Der Arzt empfahl der 12-Jährigen zur Stärkung und Besserung Ziegenmilch zu konsumieren. Damit diese immer verfügbar sein konnte, richtete der Vater in einem Unterstand im Hof einen Ziegenstall ein, wo er zeitweise sogar zwei Ziegen hielt. Anhaltende Beschwerden der Nachbarn beschäftigten die Ämter über einen längeren Zeitraum, schließlich wurde die Haltung einer Ziege von Amts wegen für einen befristeten Zeitraum ausdrücklich genehmigt.
In Konstanz oder in der Nähe lebten zeitweilig auch engere Verwandte, ein Bruder der Mutter mit seinen Kindern, die 1915 und 1918 in Singen geboren wurden.
Bis 1928 besuchte Anna nach der Volksschule die Friedrich Luisen Realschule, ab 1930 war Anna Fürst Schülerin der Handelsschule. Nach ihrem Abschluss an eben dieser wurde die junge Frau erst Lehrling und schließlich Kontoristin und Sekretärin im Geschäft ihres Vaters. In der Einwohnermeldekarte wird die erwachsene Anna mit dem Beruf Kontoristin aufgeführt.
Wie ihren Eltern wurde auch Anne am 1. Dezember 1933 die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen, auch durfte sie nicht mehr ihren Geburtsnamen Fürst angeben, sondern musste von nun an den Namen mit der polnischen Schreibweise FERZST beibehalten.
Vom 16. Januar 1936 bis zum 21. April 1936 hielt sich Anna Fürst laut dieser Karteikarte in Sonderhausen auf und von Juni bis zum 19. November 1936 war sie in Kolberg, dem heutigen Kolobrzeg.
Im April 19391(*) gelang ihr schließlich, vermutlich mit der Hilfe einer in England lebenden Tante, Rose Samuels, die Flucht nach London. Es gelang ihr nicht, Eltern und Großmutter nachzuholen, obwohl sie sich darum sehr bemühte, auch noch nach deren Deportation nach Gurs.
In England überlebte sie den Krieg und heiratete am 8. September 1946 Ronald NAIRN, mit dem sie 1947 und 1953 zwei Kinder bekam. Sie arbeitete in der Bäckerei ihres Mannes mit. Später trennte sich Anna Nairn von ihrem Mann. Sie lebte in London.
Nach dem Krieg reiste sie mehrere Male, auch in Begleitung ihrer Kinder, nach Konstanz und bemüht sich um Rückerstattung des nach der Deportation der Eltern vom Reich enteigneten Hauses. Die Wiedergutmachungen und Entschädigungsanträge zogen sich noch bis 1962 hin.
Bei ihren Besuchen in Konstanz traf sie frühere Freundinnen und Nachbarskindern und erfuhr von dem Verhalten der Mieter und umliegenden Bewohner der Rheingasse 15 unmittelbar nach der Abholung ihrer Familie. Kurz nachdem die jüdischen Besitzer sowie die jüdischen Mieter am 22. Oktober deportiert worden waren, stürmten Nachbarn die leere Wohnung und plünderten Wohnung und Warenlager.
Eine Freundin aus Kreuzlingen bewahrte auch Briefe für sie auf, die die Mutter in Gurs geschrieben hatte, doch für Anne ist der Schmerz zu groß und sie bittet die Freundin um Verbrennen derselben.
1983 ist sie dabei, als viele ehemalige jüdische Bewohner der Stadt Konstanz nach Konstanz eingeladen werden. Es sollte ihr letzter Besuch in Konstanz werden. Rückblickend sagte sie über ihr Leben, dass sie zwei Leben hatte: „eines in Deutschland und eines in England“.
Anna Nairn, geb. Fürst, starb 1988 in England