Rosa
LANG

1902 - 1940 I
Sankt-Johann-Gasse 1
Stolperstein verlegt am 01.11.2019
Rosa LANG Sankt-Johann-Gasse 1

Wegen einer angeblichen Nervenerkrankung von ihrem Hausarzt in die Psychiatrie eingewiesen

Rosa Lang wurde am 18. März 1902 in Konstanz geboren und evangelisch getauft. Zu diesem Zeitpunkt lebten die Eltern in der Rheingasse 15. Rosa hatte noch vier Geschwister: zwei ältere Schwestern, Maria und Hilda, den Bruder Christian und die jüngere Schwester Frieda. Als 15-jähriges Mädchen verlor sie 1917 während des Ersten Weltkriegs ihren Vater, Erhard Christian Lang. Ihre Mutter Maria heiratete später noch einmal und zog mit ihrem Mann, Konrad Bosch, am 19. Juli 1923 in die Sankt-Johann-Gasse 1. Rosa blieb ledig, verdiente ihren Lebensunterhalt als Arbeiterin und wohnte weiterhin in der elterlichen Wohnung.

Mit 29 Jahren war die junge Frau im Juli 1931 für einen Monat Patientin in der Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz. Ab dem 12. November 1931 war sie dauerhaft in der Anstalt untergebracht.
Aus den Erinnerungen ihres Schwagers Gustav Raidt – er war der Mann ihrer im Jahr 1964 in Konstanz gestorbenen Schwester Frieda –, wissen wir, dass Rosa wegen einer angeblichen Nervenerkrankung von ihrem Hausarzt Dr. Sauter eingewiesen worden war.

Am 17. Juni 1940 wurde sie dann vorgeblich in die Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten verlegt. Auch der Kostenträger ihrer Unterbringung, das Fürsorgeamt Konstanz, erhielt diese Nachricht und war auch ein halbes Jahr nach ihrem Tod noch immer nicht über ihren Tod verständigt worden. Die Nachricht über ihre Verlegung nach Zwiefalten war fingiert: Rosa Lang war der Massenermordung im Rahmen der „Aktion T4“ zum Opfer gefallen. Mit dem zweiten Transport aus der Konstanzer Anstalt war sie am 17. Juni 1940 auf direktem Weg in die Mordanstalt Grafeneck deportiert und nur wenige Stunden später vergast und eingeäschert worden.

Dieser zweite Transport war der zahlenmäßig größte Transport aus der Konstanzer Anstalt: 59 Patientinnen, deren Namen mit den Buchstaben A bis L begannen, und 32 Frauen, die zusätzlich zur psychischen Erkrankung auch körperlich schwer erkrankt waren, mussten an diesem Tag einen grauen Bus besteigen. Später erhielt die Familie eine Nachricht aus der Heil- und Pflegeanstalt Hartheim bei Linz in Österreich, dass Rosa am 9. Juli 1940 ebendort gestorben sei – eine der standardmäßig fingierten Todesnachrichten.

Rosa Langs Urne, mit gefälschtem Sterbedatum und Sterbeort, stand bis Herbst 1982 unbeachtet in einem Nebenraum des Konstanzer Krematoriums. Immer wieder hatten sich ihre Angehörigen nach ihrem Verbleib erkundigt, erstmals, als nach der vermeintlichen Verlegung nach Zwiefalten der Kontakt zu Rosa abgebrochen war. Aber auch nach dem Krieg erbrachten alle Nachforschungen keine Antwort auf die Frage, wie und woran Rosa Lang gestorben war.

Erst im Frühjahr des Jahres 1983 erfuhren sie, dass sich ihre Urne bereits seit 1940 in einem kleinen Kellerraum des Krematoriums auf dem Hauptfriedhof Konstanz befand. Ein vom Konstanzer Rechtsamt 1961 vertraulich angefertigtes Gutachten war unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass jenen Angehörigen, die nie Kenntnis vom Eintreffen der Asche in Konstanz erhalten hatten, nun die Erinnerung an längst Vergessenes erspart werden solle. Ein Ansatz, dem sich der damals amtierende Konstanzer Oberbürgermeister Bruno Helmle (selbst Profiteur des NS-Regimes) sofort anschloss und weiter auf das Prinzip des Verschleierns und Vertuschens setzte. Siehe dazu auch: „Der Konstanzer Urnen-Skandal“

Recherche: Roland Didra
Patenschaft: Marie-Luise Hettinger-Hanke

Quellen & Literatur:

Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen - Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024 (hier verfügbar);
Bundesarchiv (BArch): Bestand R 179, Nr. 4687;
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg B822/3 Nr. 378;
Privatarchiv Didra;
Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldekarte;
Transportliste Grafeneck
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