Der Umgang mit den sterblichen Überresten von Opfern des NS-Regimes brachte die Stadt Konstanz 1983 in die überregionale Presse.
Bis 1945 waren in Konstanz Urnen von Opfern des NS-Regimes eingetroffen. Knapp zweihundert wurden nicht abgeholt und verblieben im Keller des Konstanzer Krematoriums.
1961 beauftragte der Konstanzer Oberbürgermeister Bruno Helmle sein Rechtsamt mit der Prüfung der Angelegenheit. Das kam zu der Auffassung, dass „die Urnen im Friedhofsgebäude in Konstanz im öffentlich-rechtlichen Sinne ‚bestattet‘ sind; der Anspruch auf Aushändigung der Asche ist von den Angehörigen verwirkt, die in Kenntnis des Aufbewahrungsortes auf eine Aushändigung der Aschen bisher keinen Anspruch erhoben haben.“
Da aber nicht sicher sei, ob damals wirklich alle Angehörigen verständigt worden seien, würde eine Kontaktaufnahme nun „Aufsehen“ erregen. Auch das vermeintliche Wohl der Angehörigen hatte das Amt im Blick: Es würden mit einer Kontaktaufnahme bloß „diejenigen Angehörigen erinnert, die schon vergessen haben.““
Die Lagerung in dem sechs Quadratmeter großen Kellerraum erschien OB Helmle angemessen und wurde acht Jahre später, im Mai 1969, nochmals um zehn Jahre verlängert.
Durch Bauarbeiten im Krematorium erfuhr Baudezernent Ralf Joachim Fischer im Herbst 1982 von dieser seiner Ansicht nach nicht hinnehmbaren Angelegenheit und verständigte sofort Helmles Nachfolger, OB Horst Eickmeyer. Dieser veranlasste die Prüfung des Vorgangs und verständigte die Konstanzer Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen aufnahm.
Es stellte sich heraus, dass es sich überwiegend um Urnen von „Euthanasie“-Opfern aus ganz Süddeutschland und Vorarlberg handelte, aber auch die sterblichen Überreste von KZ-Häftlingen befanden sich darunter.
Das Medien-Echo war enorm. Das österreichische Fernsehen entsandte sogar ein Filmteam, um über die unwürdige Lagerung der Urnen zu berichten.
1984 wurden die Urnen in einem Massengrab auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.
Eine Informationstafel, die Aufschluss über das Schicksal der hier bestatteten Menschen gibt, existiert bis heute nicht.
Quellen & Literatur:
Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen – Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024;
Privatarchiv Didra