Friedrich Wilhelm
SERNATINGER

1898 - 1963 I
Mainaustraße 174
Stolperstein verlegt am 13.07.2011
Friedrich Wilhelm SERNATINGER Mainaustraße 174

Politischer Häftling und Überlebender

Friedrich Wilhelm Sernatinger wurde am 6. März 1898 in Wollmatingen geboren. Wollmatingen war bis zu seiner Eingemeindung am 1. August 1934 nach Konstanz eine selbständige Gemeinde.

Sernatinger besuchte 8 Jahre die Volksschule in Konstanz und 2 Jahre die Gewerbeschule in Singen; anschließend machte er eine Ausbildung zum Gärtner.

In erster Ehe war er mit Erna, geb. Enderle, verheiratet. Das Ehepaar hatte 6 Kinder.

1915 meldete sich Sernatinger als Kriegsfreiwilliger beim Inf. Reg. 125 Stuttgart.

Im August 1916 wurde er in Frankreich in der Schlacht an der Somme schwer verwundet: ein Bein musste um 7 cm verkürzt werden. Da es nach dem Krieg kaum Arbeit in Konstanz gab, ging Sernatinger ins Ruhrgebiet, wo er trotz seiner schweren Behinderung bei den Rheinisch-Westfälischen Kalksteinwerken in Wülfrath und im Kohlebergbau in Gelsenkirchen arbeitete. Danach arbeitete er in einer Zuckerfabrik in Frankenthal in der Pfalz.

Ob die Familie von Sernatinger in Konstanz blieb, ist nicht bekannt.

1928 kehrte Sernatinger nach Konstanz zurück. Er fand Arbeit im Bahnhofskiosk; weitere Stationen seines Arbeitslebens waren die Webereifabrik Hämmerle in Meersburg, die Zeltfabrik Ludwig Stromeyer, das Falzziegelwerk Konstanz und die Textilfabrik Herosé. In diesen Jahren ist Sernatinger der KPD beigetreten. Bei der Wahl zum Konstanzer Gemeinderat im November 1930 wurde Sernatinger für die KPD in den Bürgerausschuss (101 Mitglieder) gewählt.

Am 10. November 1934 wurde Sernatinger durch das Sondergericht Mannheim aufgrund des § 32 des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien zu 2 Jahren und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Im Urteil heißt es, er habe versucht, Betriebszellen der Revolutionären Gewerkschaftsopposition zu gründen, Geld für die Roten Hilfe zu sammeln und auf der Baustelle für das neue Bodenseestadion Mitglieder für die verbotene KPD zu werben. Seine Strafe verbüßte er im Gefängnis Konstanz.

Im April 1940 wurde Sernatinger erneut in Unter-suchungshaft genommen; am 13. Juni 1940 verurteilte ihn der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 2 Jahren und 2 Monaten Haft. Bis Oktober 1942 saß Sernatinger im Zuchthaus Ludwigsburg ein. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er sofort wieder verhaftet und in das KZ Natzweiler im Elsass überstellt.

Vom KZ Natzweiler aus wurde er im November 1942 in das KZ Dachau gebracht, wo er bis zu dessen Befreiung durch amerikanische Truppen Ende April 1945 inhaftiert war. Am 6. Juli 1945 wurde er entlassen und kehrte nach Konstanz zurück.
 
Friedrich Sernatinger war gut befreundet mit Jakob Stoll, der vor 1933 für die KPD im Gemeinderat von Wollmatingen war. Auch Jakob Stoll war im KZ Dachau eingesperrt.
 
Die Häftlingsnummer von Sernatinger im KZ Dachau ist bekannt, sie lautete: 40994.
 
Die gesamte Haftzeit von Friedrich Sernatinger betrug 7 Jahre, 7 Monate und 27 Tage.

 
Wie es scheint, wurden Kommunisten von den Behörden nicht selten benachteiligt. Jedenfalls beklagte sich Sernatinger bei der Beratungsstelle für Naziopfer in Freiburg am 30. Juli 1947, dass ihm der KZ-Ausweis verweigert werde; als er drohte, sich an die französische Verwaltung zu wenden, wurde ihm schließlich am 26.8.1947 der KZ-Ausweis ausge­händigt.
 
Nach dem Krieg bekam er zunächst eine Stelle als Hausmeister im Suso-Gymnasium und später als Kassierer bei den Stadtwerken. Hier scheint er Schwierigkeiten bekommen zu haben, weil er nach Aussage seiner Stieftochter zu viel mit den Kunden „politisierte“. Inhalt der Gespräche, die Sernatinger mit den Kunden der Stadtwerke führte, war wahr­scheinlich die durch Adenauer in den 50er Jahren betriebene Remilitarisierung der Bundesrepublik. Dieses Thema bewegte die gesamte Linke, Gewerk­schaften, Sozialdemokraten und Kommunisten.
 
Nach einer Abmahnung durch die Stadt kündigte er am 31. Dezember 1955 sein Arbeitsverhältnis bei der Stadt und übersiedelte Anfang 1956 mit seiner neuen Frau Anna, geb. Tworz (1905 – 1997), die er 1947 geheiratet hatte, zunächst nach Finsterwalde, in die damals sowjetisch besetzte Zone, und von dort nach Erfurt, Geraer Straße 15. Seine eigenen wie auch die beiden noch minderjährigen Kinder seiner zweiten Frau, Ingeborg und Eva, blieben in Konstanz.
 
Nach dem Entschädigungsgesetz vom 10. Januar 1950 erhielt Sernatinger eine Haftentschädigung von 13.635 DM.
 

Friedrich Sernatinger ist am 14. Juni 1963 im Alter von 65 Jahren in Erfurt gestorben.

 
Nach seinem Tod kehrte seine Frau nach Konstanz zurück. Sie erhielt von den DDR-Behörden die Erlaubnis, auch die Urne ihres verstorbenen Mannes nach Konstanz mitzunehmen. Die Urne wurde auf dem Konstanzer Hauptfriedhof im Familiengrab der Sernatingers beigesetzt.

Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: Michael Raetz

Quellen & Literatur:

Staatsarchiv Freiburg, Antrag auf Haftentschädigung, F 196/1, 351.
Generallandesarchiv Karlsruhe, Akte Sernatinger, 507 Nr. 12055.
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