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Stolpersteine Konstanz

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Politischer Widerstand in Konstanz

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Politischer Widerstand in Konstanz

in der Zeit des Nationalsozialismus

 
Vortrag von Dr. Uwe Brügmann
am 27.01.2017
 

1. Auschwitz-Gedenktag

Der 27. Januar ist der Auschwitz-Gedenktag. Vor 72 Jahren befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz, wo über eine Million Juden ermordet wurden. 1996 hatte der vor kurzem verstorbene Bundespräsi­dent Roman Herzog den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des National­sozialismus erklärt. Er sagte damals: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegen­wirken.“

2005 erklärten die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Holocaust-Gedenktag.

 

Die Initiative „Stolpersteine für Konstanz“ lädt schon seit Jahren an diesem Tag zu Veranstaltungen ein, die sich mit dem Thema Gewalt und Unterdrückung im Nationalsozialismus befassen. Mein Thema heute lautet: „Politischer Widerstand in Konstanz unter dem Nationalsozialismus“.

 

 

2. Definition von Widerstand

Bevor ich  auf Personen und Ereignisse in Konstanz zu sprechen komme, kurz ein paar Worte zum Begriff Widerstand. Sie kennen vielleicht das Buch „Das Gewissen steht auf – 64 Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933-1945“. Der Begriff Gewissen im Titel signalisiert, dass Widerstand etwas mit  Moral und ethischen Vorstellungen zu tun hat.  Die Grenzen zwischen aktivem und passivem politischen Widerstand sind dabei fließend. Wer mit  Waffengewalt ein Regime stürzen will, in kriegswichti­gen Betrieben Sabotage verübt oder Schriften verteilt, die zum Widerstand aufrufen, leistet aktiven Widerstand.

Kritik am Regime und seinen Repräsentanten oder Verstöße gegen politische Gesetze haben zwar  in letzter Konsequenz auch eine Schwächung des Regimes zur Folge, sind aber doch eher als passiver Widerstand zu werten. In Konstanz gab es beide Formen des Widerstands, wobei der passive Wider­stand gegen das NS-Regime eindeutig überwog.

 

 

3. Machtübernahme in Konstanz
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler vom Reichs­präsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt; damit waren die Nazis  de facto an der Macht.

Am 28. Februar, einen Tag nach dem Reichstags­brand, erließ die Regierung die „Verordnung zum Schutz von Volk und Reich“, in der die in der Weimarer Verfassung garantierten Freiheits- und Persönlichkeitsrechte aufgehoben wurden. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erhielten die Nazis im Reich 43,9% und bildeten zusammen  mit den Deutschnationalen die neue Regierung.

In Konstanz kamen die Nazis zwar nur auf 34,2 %, sie waren jetzt aber dennoch stärkste Partei. Am 5. Mai 1933 wurden der liberale Oberbürgermeister Otto Moericke sowie die beiden Bürgermeister Fritz Arnold (SPD) und Franz Knapp (Zentrum) vom Dienst suspen­diert und durch die Nazis Albert Herrmann, Leopold Mager und Carl Gruner ersetzt.

Der Bürgerausschuss, vergleichbar dem heutigen Gemeinderat, wurde von den  Nazis in ihrem Sinne umgebildet. Die Kommunisten hatten ihre kommunal­politische Arbeit längst einstellen müssen  und die Sozialdemokraten verloren ihre Mandate nach dem Verbot der SPD am 23. Juni 1933. Schließlich lösten die Nazis auch den Bürgerausschuss auf.

Die neuen Machthaber hatten die Verwaltung der Stadt auf allen Ebenen übernommen. Die Verhaftung von Kommunisten und Sozialdemokraten in Konstanz wenige Tage nach Reichstagswahl durch die Polizei zeigt, dass auch der Polizeiapparat ein Werkzeug in den Händen der NSDAP war.

 

4. Erste Widerstandsaktionen in Konstanz

Am 1. Februar 1933, also zwei Tage nach der Ernen­nung Hitlers zum Reichskanzler, organisierten die Kommu­nisten in Konstanz, wie in vielen anderen deutschen Städten auch,  einen politischen Protest­streik gegen Hitler. Kommunistische Streikposten vor der Textil- und Zeltfabrik Stromeyer verhinderten, dass die etwa 400 Beschäftigten die Arbeit aufnehmen konnten. 200 Arbeiter zogen in einem Protestmarsch vor die Fabriktore der  Textilgroßbetriebe „Herosé“ und „Schwarzenbach“ und forderten die Belegschaften auf, sich am Streik zu beteiligen, was jedoch nicht geschah. Auch die Arbeiterinnen und Arbeiter der Kleiderfabrik  „Straehl“ (in der Markgrafenstraße) weigerten sich trotz einer flammenden Rede der Näherin Johanna Hemm, KPD-Mitglied und Mutter der ehemaligen Stadträtin Vera Hemm,  die Arbeit niederzulegen.

Am Nachmittag desselben Tages zogen dann etwa 800 Demonstranten mit Transparenten „Nieder mit Hitler“ und „Hoch lebe die Kommunistische Inter­nationale“ durch die Stadt zu einer Protestkund­gebung auf dem Bodanplatz. Die Sozialdemokraten verhielten sich an diesem Tag reserviert, wenngleich, wie die zentrums­nahe „Deutsche Bodensee-Zeitung“ 2. Februar schrieb, „die drei Pfeile auf rotem Grund in den Straßen der Stadt wieder häufiger zu sehen waren“. Die drei Pfeile waren das Symbol der „Eisernen Front“, einem Zusammenschluss sozial­demokratischer Organi­sationen, darunter auch der SPD, zum Schutz der Weimarer Republik.

Ende Februar 1933, wenige Tage nach dem Brand des Reichstags in Berlin, trafen sich in Konstanz Mitglieder des mittlerweile verbotenen Kommunistischen Jugend­verbandes Deutschlands. Die Gruppe bestand aus 12 jungen Männern, von denen einige noch keine 21 Jahre alt, damals also noch minderjährig waren. Die Mitglieder kamen aus dem Arbeiter- und Hand­werkermilieu: Schlosser, Elektriker, Schneider und Glaser. Die Gruppe tagte im Geheimen in Privat­wohnungen und im Sommer auch schon mal im Freibad Hörnle. Sie wurde von  Kommunisten instruiert, die in die Schweiz geflüchtet waren und nun unter ihren Decknamen „Erich“,  „Leo“ oder „Emil“ operierten.

Die jungen Männer beteiligten sich am Schmuggel kommunistischer Schriften aus der Schweiz nach Konstanz, vornehmlich nachts über den Saubach, und malten politische Parolen wie „Kampf dem Hitler-Faschismus“ oder „Es lebe die Solidarität der inter­nationalen Arbeiterklasse“ an Häuserwände.

In der Nacht vor dem 1. Mai 1933 verstreuten sie in der Stadt Flugblätter mit Anti-Hitler-Parolen.  Mitte Februar 1934 flog die Gruppe auf, als ein Mitglied auf der Fähre von Konstanz nach Meersburg verhaftet wurde. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden zahl­reiche kommu­nistische Schriften gefunden.

Anfang Dezember 1934 wurde ihnen vor dem Ober­landesgericht Karlsruhe der Prozess gemacht. Die jungen Männer wurden zu ein bis drei Jahren Haft verurteilt. Wohl wegen ihres jugendlichen Alters fielen die Strafen recht milde aus.

Am 6. März 1933, einen Tag nach ihrem triumphalen Erfolg bei den Reichstagswahlen, hissten die Nazis die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus und auf der Zeppelin-Oberrealschule, dem heutigen Humboldt Gymnasium.

Gegen die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus protes­tierte als einziger der SPD-Stadtrat Hans Jakob Venedey in einem Schreiben an den Oberbürger­meister Otto Moericke. "Bei der roten Fahne mit dem schwarzen Hakenkreuz im weißen Feld... handelt es sich um eine Parteifahne, die keineswegs eine verfassungsmäßige Fahne, sondern ein ausge­sprochenes Kampfsymbol einer Partei ist. Dieses Kampfsymbol richtet sich in schärfster Form gegen alle Staats­bürger, die der NSDAP nicht angehören, insbesondere aber gegen alle Republikaner, die in der Stadt Konstanz immerhin noch die Mehrheit bilden. In der Hissung der nationalsozialistischen Fahne liegt eine Herausforderung aller freiheitlich gesinnten Staatsbürger und eine Kränkung unserer jüdischen Mitbürger, da die Fahne das Zeichen des Anti­semitis­mus, das Hakenkreuz, enthält." Dazu muss man wissen, dass die Hakenkreuzfahne erst 1935 Schwarz-Rot-Gold als Reichsflagge ablöste.

Gegen die Hakenkreuzfahne auf  der Zeppelin-Ober­realschule  protestierte auch Hermann Venedey, der Bruder von Hans Jakob Venedey.  Er weigerte sich, Unterricht zu erteilen, solange die Hakenkreuz­fahne  auf dem Dach des Schulhauses wehen würde.

Daraufhin forderte ihn die Schulbehörde auf, sich von einem Nervenarzt (!) untersuchen zu lassen. Da aber Venedey nicht daran dachte, dieser Aufforderung nachzukommen, wurde er aus dem Schuldienst entlassen.

Er emigrierte in die Schweiz und ließ sich in Basel nieder, wo er sich bis Kriegsende mit Artikeln für die dortige „Arbeiterzeitung“ über Wasser hielt.

Hans Jakob Venedey wurde wenige Tage später auf offener Straße verhaftet. Anfang Juli 1933 gelang ihm die Flucht in die Schweiz. Von dort ging er nach Paris, wo er als amtlicher Dolmetscher der französi­schen Regierung tätig war und in einer jüdischen Auswan­dererorganisation mitarbeitete.

Auch andere prominente Nazigegner wurden Anfang März auf offener Straße verhaftet, darunter der langjährige SPD-Abgeordnete im badischen Landtag Karl Großhans  sowie die beiden stadtbekannten Kommunis­ten Karl Fuchs und Heinrich Haug.

Es erforderte jetzt schon Mut, offen gegen die Nazis zu protestieren.  In der Nacht vom 18. auf den 19. Sept. 1934 verstreuten Kommunisten in der Mark­grafen- und Reichenaustraße, wo viele Arbeiter wohnten, Hunderte von Flugblättern. Wer die Flug­blätter verteilt hat, konnte die Geheime Staatspolizei nicht klären. Sie verdächtigte jedoch Emil Lanz, der vor 1933 einige Monate für die KPD im  Bürger­aus­schuss saß. Bei einer Wohnungs­durchsuchung fand die Gestapo bei ihm auch eine Vielzahl kommunistischer Broschüren. Emil Lanz wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, ein weiterer Angeklag­ter erhielt eine dreimonatige Freiheitsstrafe, weil er das Flugblatt im Betrieb herumgehen ließ.

Für November 1934 notierte die Gestapo Karlsruhe in ihrem Lagebericht, dass in Konstanz 24 Personen verhaftet worden seien; gegen fünf sei Anzeige erstattet worden. In allen Fällen waren wohl regime­kritische Äußerungen der Anlass.

Im Juli 1935 kam es zu einer neuerlichen Wider­standsaktion im öffentlichen Raum. Unbekannte hatten nachts massenhaft kleine  Bilder von Erich Mühsam an einen Bretterzaun in der Luisenstraße geklebt. Mühsam war Schriftsteller und Anarchist und bekanntlich einer der Hauptakteure der 1919 ausge­rufenen Münchner Räterepublik. Er wurde am 10. Juli 1934 von der SA-Wachmannschaft des KZ Oranien­burg ermordet. Die Klebeaktion sollte an den Jahrestag seiner Ermordung erinnern. Trotz intensiver Nachforschungen gelang es der Gestapo nicht, den oder die  nächtlichen Kleber ausfindig zu machen.

 

5. Sondergerichte zur Ausschaltung politischer Gegner

Schon zwei Wochen nach ihrer Machtübernahme reorganisierten die Nazis das Gerichtswesen. Am 21. März 1933 wurden für jeden Oberlandesgerichtsbezirk Sonder­gerichte gebildet, die hauptsächlich für politische Delikte zuständig waren. Die Sondergerich­te waren ausschließlich mit Berufsrichtern besetzt und wurden nur auf Initiative der Geheimen Staatspolizei tätig; Verteidiger waren zwar zugelas­sen, gegen die Urteile gab es jedoch keine Revision.

Vor den Sondergerichten mussten sich unzählige Deutsche für politische Vergehen verantworten. Für Konstanz war bis Oktober 1941 das Sondergericht Mannheim zuständig; am 1. November 1941 nahm das Sondergericht Freiburg seine Arbeit auf.  Viele Verfahren des Sondergerichts Freiburg fanden auch in Konstanz statt.

Im Folgenden gehe ich auf die Gesetze und Verordnungen ein, nach denen politische Delikte, ich betone ausdrücklich, politische und keine kriminellen Delikte, bestraft wurden.

 

6. Anklage wegen Hochverrats

Am 24. April 1934 wurde das Strafgesetzbuch novelliert. Neu waren jetzt die  Paragrafen 85 bis 90, die den Tatbestand des „hochverräterischen Unter­nehmens“ einführten und dieses mit mehrjähriger Zuchthaus- oder Todesstrafe ahndete.

Was ein „hochverräterisches Unternehmen“ ist, lag im Ermessen des Gerichts. Konkret wurde im Paragraf 85 lediglich die Einfuhr von illegalen Druckerzeugnissen erwähnt. Hochverrat begeht, heißt es da, wer „die Massen durch Herstellung oder Verbreitung von Schriften, Schallplatten oder bildlichen Darstellungen beeinflusst oder Schriften aus dem Ausland einführt“. Dieser Paragraf  85 richtete sich speziell gegen die KPD und SPD, die nach 1933 in großem Umfang politisches Schriftgut aus dem Ausland nach Deutschland schmug­gelten.

Konstanz war auf Grund seiner Grenzlage zur neutralen Schweiz das ideale Einfallstor. Nach 1933 waren zahlreiche SPD- und KPD-Mitglieder in die Schweiz emigriert, nach Zürich, St. Gallen und Basel. Im Thurgau wurden keine politischen Flüchtlinge geduldet.

Die Grenze war noch offen; der Grenzzaun wurde erst 1939/1940 errichtet. Im benachbarten Kreuzlingen arbeiteten zudem viele Konstanzer als Grenzgänger, die praktisch ohne Kontrolle oder mit Passierscheinen über die Grenze konnten. Auch dieser Umstand war eine ideale Voraussetzung für die illegale Einfuhr von politischen Druckerzeugnissen.

 

6.1 Schriftenschmuggel der SPD

Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 emigrierte der Parteivorstand nach Prag. Hier wurde die Partei­zeitung „Neuer Vorwärts“ gedruckt und über Kuriere nach Deutschland gebracht, vielfach auch über die Schweiz.

Sogenannte Grenzsekretariate bildeten die Klammer zwischen dem Exilparteivorstand in Prag und den illegalen SPD-Gruppen im Land. Das Grenzsekretariat für den südwestdeutschen Raum befand sich in der Stadt St. Gallen. Die politischen Schriften wurden in einer St. Galler Druckerei gedruckt, darunter auch eine linke sozialdemokratische Zeitschrift mit dem Titel  „Der Funke“.

Von St. Gallen wurde „Der Funke“ nach Kreuzlingen gebracht und von hier über die Grenze nach Konstanz geschmuggelt. Von Konstanz wurde die Zeitschrift dann weiter nach Frankfurt und Offenbach ver­schickt.

Geschmuggelt wurden aber auch der „Neue Vorwärts“ sowie Mikrofilme mit politischen Informationen. Die Kuriere waren deutsche Grenzgänger wie Karl Durst, Andreas Fleig oder Bruno Schlegel,  alle Schreiner von Beruf, die in Kreuzlingen bei einer Möbelfirma arbeiteten. Nach dem Namen der Zeitschrift wurde die Gruppe auch „Funkentruppe“ genannt.

Kopf der Funkentruppe aber war ein Metallarbeiter aus Kreuzlingen, Ernst Bärtschi. Er fuhr selbst alle 4 bis 6 Wochen von Konstanz nach Frankfurt mit 10 bis 12 Exemplaren des „Funken“ im Gepäck.  Als begeisterter Faltbootfahrer und bestens bekannt bei den deutschen Zöllnern durch seine häufigen Besuche in Konstanz wurde er an der Grenze nicht kontrolliert. So konnte er auch zahlreichen Flüchtlingen zur Flucht in die Schweiz verhelfen. Weil er den deutschen Zöllnern öfter Scho­ko­lade zusteckte, um ihr Vertrauen zu gewinnen, wurde er  „Schoggi-Bärtschi“ genannt.

In seinem Haus in der Schäflerstraße in Kreuzlingen, vor dem heute ein Stolperstein liegt, fanden deutsche Emigranten immer für einige Nächte Unter­schlupf.

Anlaufstation für die geschmuggelten Broschüren in Konstanz war Paulina Gutjahr in der Braunegger­straße, eine stadtbekannte Sozialdemokratin. Bei ihr übernachtete auch mancher politisch Verfolgter, den Ernst Bärtschi dann über die Grenze in die Schweiz brachte.

Die „Funkentruppe“ flog auf, als in Frankfurt ein Gewerkschafter verhaftet wurde und unter  der Folter die Namen der Genossen im Grenzgebiet verriet. Bärtschi, Fleig und Durst wurden im Oktober 1938 vom Volksgerichts­hof Berlin, quasi dem höchsten Sonder­gericht im Reich,  wegen Hochverrats zu 15, 13  und 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bärtschi und Fleig verbüßten ihre Strafen bis Kriegsende im Zuchthaus Ludwigsburg.

Karl Durst kam in das Arbeitslager Rodgau-Dieburg in Hessen, das der Justizverwaltung unterstand, also kein Konzentrationslager war. Hier waren Verpflegung und medizinische Versorgung ausreichend, so dass im Lager relativ wenige Häftlinge starben. Durst durfte sogar von seiner Frau und Tochter besucht werden.

Paulina Gutjahr wurde im Mai 1939 vom Ober­landesgericht Stuttgart wegen Hochverrats zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. „Sie ist eine verbohrte und unbelehrbare Anhängerin der staatsfeindlichen marxis­tischen Lehre“, heißt es in der Urteilsbegründung. Paulina Gutjahr  wurde nach Verbüßung ihrer Strafe aber nicht freigelassen, sondern „staatspolitischen Maßnahmen zugeführt“, d.h. vom Gefängnistor weg in das Frauen-KZ Ravensbrück überführt, wo sie erst  1945 durch sowjetische Truppen befreit wurde. Sie kehrte gesundheitlich schwer angeschlagen nach Konstanz zurück und betätigte sich nicht mehr politisch.

Mit der Verhaftung der Funkentruppe hatte die illegale Einfuhr von sozialdemokratischen Schriften nach Konstanz ein Ende gefunden.

 

6.2  Schriftenschmuggel der KPD

Auch die Kommunisten nutzten Konstanz für die illegale Einfuhr von politischen Schriften. Nach der Zerschla­gung der KPD im Frühjahr 1933 emigrierten viele Funktionäre in die neutrale Schweiz.

Entlang der deutschen Grenze baute die KPD, analog zur SPD, sogenannte Grenzstützpunkte auf. Für den südwestdeutschen Raum befand sich ein solcher Grenzstützpunkt in Schaffhausen. Die Verteiler­organi­sation im Grenzgebiet lag bis 1934 in den Händen von Willi Bohn, einem Stuttgarter Kommunis­ten, der vor 1933 Chefredakteur der in Stuttgart erscheinenden „Süddeutschen Arbeiterzeitung“ war.

In der Literatur ist diese illegale  Organisation, die unabhängig voneinander in kleinen Zellen von 3 bis 4 Mann operierten und voneinander nichts wussten, als „Transportkolonne Otto“ bekannt. Mehrmals war Willi Bohn auch in Konstanz; einmal hatte ihn Otto Marquard, der Kunstmaler aus Allensbach, selbst über den See in die Schweiz gerudert.

Die Herstellung und Verteilung illegaler Schriften spielte im kommunistischen Widerstand eine zentrale Rolle, weil die Partei an den Erfolg der Massen­propaganda glaubte. Die KPD ließ ihre Materialien in Zürich drucken. Monatlich kamen so mehrere Tausend Druckerzeugnisse über die Grenzstelle Schaffhausen, manchmal auch über Kreuzlingen oder über die Insel Reichenau  nach Konstanz.

Wie der Schriftenschmuggel in Konstanz praktisch organisiert war, darüber berichtete recht anschaulich Alfons Beck:

"Das Material kam immer in Zentnerladungen von der Schweiz nach Konstanz. Da die Tarnung schon ziemlich durchgedacht war, konnte ich die Transportkolonne, die den Transport von der Reichenau besorgte, persönlich nicht kennen. Die Zulieferung von der Reichenau bis in die Bodanstraße erfolgte meistens mit dem Transportmittel kleiner Leute, mit Gemüsekörben, mit Handwagen bei größeren Transporten.

Bei mir kamen sie immer zuerst im Gang in einen Wandschrank, die ganze Nacht wurde das Material in 5-Kilo-Pakete verpackt und in den nächsten Tagen wurden immer nur zwei Pakete irgendwo auf einer Post eingeliefert. Die Pakete wurden bis nach Königsberg versandt."

 

Neben Alfons Beck, der in der Bodanstraße wohnte, war Ferdinand Obergfell in Wollmatingen Anlauf­station für die geschmuggelten Schriften. Es war vorauszusehen, dass die Gestapo eines Tages von der Einfuhr der illegalen Broschüren Wind bekommen würde. Denunzianten gab es überall in der Bevöl­kerung.

Anfang Oktober 1939 wurde Ferdinand Obergfell verhaftet, eine Woche später auch Alfons Beck. Die Gestapo hatte Obergfell schon lange im Visier, weil er vor 1933 kommunistischer Gemeinderat in Woll­matingen war. Mit ihm wurden in einer konzertierten Aktion 11 weitere Männer und Frauen aus Wollmatingen verhaftet. Gegen einige von ihnen verhängte das Oberlandes­gericht Stuttgart im Februar 1940 wegen Hochverrats zum Teil empfindliche Strafen. Obergfell wurde zu 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt, drei andere Angeklagte erhielten je 2 Jahre Zuchthaus. Die übrigen Mitange­klagten, darunter auch die Schwester Obergfells, erhielten geringere Haftstrafen oder wurden frei­gesprochen.

Ferdinand Obergfell wurde nach Verbüßung seiner regulären Haftstrafe aber nicht freigelassen, sondern in das berüchtigte Gefängnis Brandenburg-Görden ein­geliefert. Er erlebte zwar das Kriegsende, starb aber schon Ende Mai 1945 an den Haftfolgen.

Alfons Beck wurde im April 1940 vom OLG Stuttgart zu 4 Jahren Haft verurteilt, die er im Zuchthaus Ludwigsburg verbüßte. Anschließend kam er in das Arbeitslager Aschendorfermoor im Emsland und in das Zuchthaus Waldheim in Sachsen. Nach dem Krieg leitete Alfons Beck einige Jahre das KPD-Büro in der Rosgartenstraße.

In Konstanz wurden 19 Personen wegen der Beteiligung an der illegalen Einfuhr und Verteilung von politischen Schriften verurteilt.

 

6.3  Auch Industriesabotage war Hochverrat.

Aus Konstanz ist ein solcher Fall aktenkundig. Ich spreche jetzt über Viktor Freund, einen Kommunis­ten aus Mülhausen im Elsass. Er wurde im Oktober 1940 vom Arbeitsamt Mülhausen nach Konstanz zur Firma Herosé vermittelt.

Auf dem Gelände von Herosé wurden neben dem Stoffdruck auch Metallrohlinge für die Firma Pintsch produziert. Pintsch war ein Rüstungsbetrieb auf dem Gebiet von Funk- und Elektrotechnik. Auch Herosé produzierte natürlich für die Rüstung. Hier waren über 370 Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter auch Zivil­arbeiter, Zwangsarbeiter und viele Kriegsgefangene beschäftigt.

Freund, der von Zeugen als ruhiger und sanftmütiger Mensch beschrieben wurde, glaubte an die Ideale des Kommunismus. Arbeitskollegen schilderte er das Leben in der Sowjetunion in leuchtenden Farben und  war zutiefst davon überzeugt, dass die Sowjetunion Hitler-Deutschland besiegen werde. Freund hatte Mut, er arbeitete langsam, machte  absichtlich Fehler in der Montage und schmuggelte Werkstücke aus dem Betrieb, die er dann in den Rhein warf. Über das politi­sche Weltgeschehen war Freund bestens informiert, weil er die Nachrichten von Radio Bero­münster, BBC London und Radio Moskau hörte.

Im Betrieb lernte Viktor Freund zwei Landsleute näher kennen, Robert Ballast und Andreas Friedrich, die wie er als Zivilarbeiter tätig waren. Zu dritt planten sie, illegal Waffen aus Frankreich zu beschaffen und sich dann über die Schweiz nach Nordafrika durchzu­schla­gen, um in der französischen Armee gegen Hitler zu kämpfen. Es konnte nicht ausbleiben, dass die Gestapo ihnen auf die Spur kam; wahrscheinlich wurde Freund von einen Arbeitskollegen denunziert.

Mitte Juli 1942 wurden die drei Elsässer verhaftet und im Februar 1943 vom Volksgerichtshof, der  in Trier tagte, nach § 85 des Strafgesetzbuches wegen „kommunistischen Hochverrats im Krieg“ angeklagt. Viktor Freund wurde zum Tod verurteilt, Robert Ballast und Andreas Friedrich zu je 4 Jahren Gefängnis. Viktor Freund wurde am 13. Mai 1943 in Köln-Klingelpütz mit dem Fallbeil hingerichtet. Seinen Leichnam vermachten die Nazis dem Anatomischen Institut der Universität Köln. Robert Ballast verbüßte seine Haftstrafe im Gefängnis Ludwigsburg, Andreas Friedrich im Gefängnis von Rottenburg. Beide haben dank ihrer Inhaftierung den Krieg überlebt.

 

 

6.4 Auch regimefeindliche Äußerungen waren Hochverrat

Der Konstanzer Käsehändler Otto Vogler, der mit Frau und vier Kindern im Trompeterschlössle in Tägerwilen wohnte, hatte 1938 unter Alkoholeinfluss in der Schweizer Gastwirtschaft „Zum Zollhof“ Sätze wie diese geäußert hatte: „Wir haben in Deutschland nur Dummköpfe in der Regierung“ und „Die deutsche Staatsführung hat die Arbeiter verraten.“ Er wurde von einem deutschen Gast bei der Gestapo denunziert.

Obwohl ihm der Gerichtsmediziner Dr. Rechberg, der auch Leiter des Konstanzer Gesundheitsamtes war, „zur Tatzeit einen Zustand der Berauschtheit“ attestierte, wurde Vogler wegen Hochverrats zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine „bösartigen Äußerungen stellten eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes“ dar, so das Gericht. Nach der Verbüßung der Haftstrafe wurde er in das KZ Dachau eingeliefert, wo er 1941 den Tod fand.

Als Todes­ursache wurde in der Sterbeurkunde, wie bei unzähligen anderen Opfern auch, stereotyp „Versagen von Herz und Kreislauf bei Darmkatarrh“ angegeben. Seine Leiche wurde im Krematorium des KZ Dachau eingeäschert und die Asche auf dem Gelände verstreut.

Ähnlich erging es Arthur Kressner, Amtsbote bei der Stadt Konstanz. Weil er jahrelang Radio Moskau gehört hatte, wurde er 1939 nach den Hochverratsparagrafen zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Verbüßung seiner Haftstrafe wurde Kressner, wie viele andere politische Gefangene, am Gefängnistor erneut verhaftet und in das KZ Neuengamme bei Hamburg eingeliefert, wo er bei einer SS-Baubrigade zum Schutträumen nach Fliegerangriffen eingesetzt war. Bei einem Arbeitseinsatz in Bremen  starb am 14. Dezember 1941.

Es gab noch ein weiteres Opfer in Konstanz, das nach dem Hochverratsparagrafen hingerichtet wurde. Ich spreche von Willy Schürmann-Horster, einen gebür­tigen Kölner, der im November 1941 von Berlin nach Konstanz ans Grenzlandtheater (Stadttheater) kam. Er arbeitete hier als Dramaturg und Werbeleiter.

Schürmann-Horster war der „typische Bühnenmann – stets geistreich, oft kritisch und immer energie­geladen“ – so beschrieb ihn Rudi Goguel, der von 1946 bis 1948 politischer Redakteur beim Südkurier war. In seiner Berliner Zeit hatte Schürmann-Horster einen Kreis von Künstlern, Intellektuellen, Handwer­kern und Arbeitern um sich geschart. Einzelne Mitglieder dieses Kreises hatten auch Verbindung zur Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack, die von der Gestapo „Rote Kapelle“ genannt wurde. Unter diesem Begriff fasste die Gestapo verschiedene Gruppen mit vermeintlichen Kontakten zur Sowjetunion zusammen.

Als die Gruppe um Schulze-Boysen und Harnack  im August 1942 ins Visier der Gestapo geriet - beide wurden im Dezember 1942 in Berlin hingerichtet -, wurde die Gestapo auch auf Schürmann-Horster aufmerksam. Ende Oktober 1942 wurde er  bei der Rückkehr des Theaterschiffs aus Überlingen verhaftet und kurz darauf nach Berlin in das berüchtigte Gefängnis Plötzensee überstellt.

Im August 1943 wurde Schürmann-Horster vor dem Volksgericht in Berlin wegen Hochverrats angeklagt und zum Tod verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils erwies sich als schwierig. Anfang September 1943 war die Strafanstalt Berlin-Plötzensee bei einem Flieger­angriff beschädigt worden. Weil die Guillotine nicht mehr funktionierte, schritt die Justizverwaltung zu Massen­hinrichtungen. An einem langen Galgen wurden jeweils 8 Häftlinge im Drei-Minuten-Takt gehängt. Schürmann-Horster wurde am 9. September 1943 um 20 Uhr hingerichtet.

Für Schürmann Horster hat die Initiative „Stolper­steine für Konstanz“ übrigens einen Stolperstein vor dem Theater verlegt.

Der Konstanzer Historiker Arnulf Moser charakterisiert Schürmann-Horster als einen typischen intellektuellen Gegner des Dritten Reiches, der passiven Widerstand geleistet hatte.

7. Verstöße gegen das sogen. Heimtückegesetz

Das "Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen", wie das Gesetz offiziell heißt, wurde am 20. Dezember 1934 verabschiedet. Kritische Äußerungen gegen Hitler, die Regierung und die NSDAP wurden mit Gefängnis, Zuchthaus und in besonders schweren Fällen auch mit dem Tod bestraft. Nach einer amtlichen Statistik wurden 1937 in Deutschland mehr als 17.000 Personen nach dem Heimtückegesetz angezeigt; davon führten 7000 zu Gerichtsverfahren und 3500 zu Verurteilungen.
Ich lese Ihnen jetzt einige Äußerungen von Konstanzern vor, die nach dem Heimtückegesetz zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

„Mir soll bloß keiner mehr kommen und etwas sammeln wollen, ich nehme die Axt und schlage ihn die Treppe hinunter.“

Wenn ich ein Radio hätte, ich würde es in Tausend Stücke schlagen, ich will von diesem Lumpenzeug nichts mehr hören.

„Wenn wir den Krieg verlieren, würde ich allen Nazis den Hals abschneiden.“

Alle diese Äußerungen wurden von Nachbarn der Gestapo zugetragen. Ein besonders krasses Beispiel von Systemloyalität ist folgender Fall. Ein Mann wurde von seiner Nachbarin, mit der er seit vielen Jahren in gutem Einvernehmen Tür an Tür lebte, bei der Gestapo denunziert. Pathetisch erklärte die Frau vor Gericht: „So gebe ich denn eine über 10 Jahre bestehende Freundschaft für die Ehre des Führers hin.

Ein Kaufmann saß mehrere Wochen in Unter­suchungs­haft, weil er seine Kunden stets mit „Heil Semmelmann“ begrüßte hatte.

In Konstanz sind nachweislich 28 Personen nach dem sogenannten Heimtückegesetz  verurteilt; 10 weitere Personen saßen mehrere Wochen in U-Haft. Alle Personen sind von Nachbarn denunziert worden.

 

8. Widerstand gegen die Nürnberger Gesetze

Im September 1935 wurden die Nürnberger Gesetze verabschiedet. Durch diese Gesetze wurden die Juden zu Staatsbürgern ohne politische Rechte, im Gegensatz zu den „Reichsbürgern“.  Das „Blutschutzgesetz“, eines der drei Nürnberger Gesetze, sollte der sogenannten Reinhaltung des deutschen Blutes dienen. Verstöße gegen das Gesetz wurden als „Rassenschande“ bezeichnet und mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. Eheschließungen und außerehelicher Geschlechts­verkehr zwischen Juden und "Staatsangehörigen deutschen Blutes" waren fortan verboten.

1933 gab es in Deutschland etwa 35.000 Mischehen (amtliche Bezeichnung) zwischen Juden und Nicht­juden. Bei einem Anteil der Juden von etwa 1% an der Gesamtbevölkerung, in absoluten Zahlen etwa 600.000, waren Mischehen eher selten, aber nichts Unge­wöhnliches.

Das Blutschutzgesetz unterschied zwischen privi­legierter und nicht privilegierter Mischehe.  Als privilegiert galten Ehepaare, bei denen die Frau jüdisch - im rassischen Sinne des NS-Regimes - und der Mann nichtjüdisch war und sie keine oder nichtjüdisch erzogene Kinder hatten. Als privilegiert galten  auch Ehepaare, bei denen der Mann jüdisch und die Frau nichtjüdisch war und sie keine oder nichtjüdisch erzogene Kinder hatten. Der jüdische Partner in einer privilegierten Mischehe musste keinen Judenstern tragen und war auch vor Deportationen geschützt.

Nach 1935 führten die Nazis eine regelrechte Kampagne gegen Mischehen und sogenannte Rassenschänder. Die Kampagne scheint erfolgreich gewesen zu sein, denn 1939 vermerkte die Gestapo Karlsruhe in ihrem Lage­bericht, dass Rassen­schand­fälle in Konstanz, Freiburg, Offenburg und anderen Orten weiter abgenommen haben.

Wer in dieser Zeit einen jüdischen Ehepartner hatte, war also vielfältiger Benachteiligung und öffentlicher Missachtung ausgesetzt.  Es gehörte viel Mut dazu, sich öffentlich zu seinem jüdischen Ehepartner zu bekennen. Verständlich also, dass manche Ehe unter dem Druck der öffentlichen Meinung, aber auch aus persönlichem Eigennutz und Karrieredenken aufgelöst wurde. 1939 war die Zahl der registrierten Mischehen in Deutschland gegen­über 1933 um fast die Hälfte gesunken.

In Konstanz gab es nur wenige Mischehen. Die Juden in Konstanz heirateten in aller Regel unter­einander, waren aber dennoch bestens in die Gesellschaft integriert.

Spektakulär ist der Fall Ludwig Büchler. Büchler trat nach seinem Technikstudium in Karlsruhe 1925 in den Dienst der Stadt. 1930 heiratete er die Jüdin Else, geb. Kahn aus  Buchau am Federsee. Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 und der verstärkten antisemitischen Propaganda forderte Oberbürger­meister Mager Ludwig Büchler auf, sich von seiner Frau zu trennen. Büchler hielt dem psychischen und politischen Druck jedoch stand. In seiner Verzweiflung dachte er sogar an Auswan­derung.

Im Juli 1939 setzte OB Mager Büchler erneut die Pistole auf die Brust und forderte ihn ultimativ auf, sich von seiner Frau zu trennen.  Doch Büchler blieb weiter standhaft. Er erklärte wörtlich: Meine Frau und ich haben vor 10 Jahren aus gegen­seitiger Zuneigung die Ehe geschlossen… Ich habe mich entschlossen, bei meiner Frau zu bleiben. Man kann nicht einfach seine Frau, die ja schließlich Lebens­gefährtin sein soll, weggeben, wie man einen toten Gegenstand weggibt.

Büchler ließ sich nicht scheiden; er behielt auch seine Stelle bei der Stadt und bewahrte damit seine Frau vor der Deportation. Am 22. Oktober 1940 wurden fast alle Konstanzer Juden in das Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Die meisten von ihnen wurden im August 1942 über das Lager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert und noch am Tag ihrer Ankunft  in der Gaskammer ermordet.

Der andere Fall, über den ich kurz berichten will, betrifft die Ehe zwischen einem Juden und einer Christin. Sigmund Weil aus in Konstanz, und Emma, geb. Schmidt aus Ludwigsburg, heirateten 1927 in Donaueschingen. Sie war überzeugte Methodistin. 1928 zog das Paar nach Konstanz. Da das Paar keine Kinder hatte, fiel  ihre Ehe unter den Status der „privilegierten Mischehe“. Sigmund Weil wurde daher nicht deportiert.

Seine Frau hielt in all den Jahren der anti­semitischen Hetze zu ihrem Mann. Tragisch war das Ende von Sigmund Weil.  Am 1. Februar 1945 nahm er sich durch Leuchtgas das Leben. Sein schmuck­loses Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Konstanz.

 

9. Verstöße gegen das „gesunde Volksempfinden“

Im Juni 1935 wurde der Begriff „gesundes Volks­empfinden“ in das Strafgesetzbuch aufgenommen. „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder nach gesundem Volks­empfinden Bestrafung verdient“. Mit diesem schwammigen Begriff war der juristischen Willkür Tür und Tor geöffnet. Der Volksmund reagierte auf diesen neuen juristischen  Tat­bestand mit dem ironischem Satz: „Das gesunde Volks­empfinden wird vom zuständigen Gauleiter festgelegt.“

Solange Deutschland nicht im Krieg war, wurden nur wenige Verstöße gegen das „gesunde Volks­empfinden“ registriert. Es gab genug andere Gesetze, die regime­feindliches Verhalten bestraf­ten. Das änderte sich aber mit dem Ausbruch des Krieges.

In der „Verordnung zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes“ vom November 1939 heißt es, dass derjenige das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt, der z.B. mit einem Kriegsgefangenen Tanz­veranstal­tungen besucht. Andere konkrete Beispiele wurden nicht genannt.

Verstöße gegen diese Verordnung wurden mit Gefängnis und in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. Während des Krieges herrschte in Deutsch­land, bedingt durch die Mobilisierung Millionen wehrfähiger Männer, ein akuter Arbeits­kräftemangel. In vielen Betrieben waren daher Kriegs­gefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. So waren z.B. in Konstanz während des Krieges 10 % aller Arbeits­kräfte Kriegsgefangene und Zwangs­arbeiter. Fast drei Viertel von ihnen stammten aus Belgien, Frank­reich, Jugoslawien und der Sowjetunion. Bei Stromeyer betrug der Anteil von Zwangsarbeitern an der Belegschaft sogar 23,4 %.

Die Zwangsarbeiter waren in Baracken auf dem Firmen­gelände, aber auch in Gasthäusern, wie z.B. in der Germania, im Burghof oder im Königsbau untergebracht.

Daneben gab es noch einige Hundert  freiwillige Zivilarbeiter aus den besetzten  Ländern, die rechtlich den deutschen Arbeitern gleichgestellt waren. Die Menschen in Konstanz kamen im Alltag also mehr oder minder zwangsläufig mit Kriegs­gefangenen und Zwangs­arbeitern in Kontakt. Solche Kontakte blieben der Gestapo meist nicht verborgen, weil sich immer ein Denunziant fand.

Da ist zum Beispiel der Fall Else Butz aus Dettin­gen. Sie war im Sommer 1943 als landwirt­schaftliche Ernte­helferin beim Ortsbauernführer von Wollma-tingen eingesetzt. Auf dem Bauernhof arbeiteten auch mehrere Kriegsgefangene. Mit einem von ihnen, einem Serben, freundete sie sich an, lud ihn zum Kaffee ein und ging mit ihm auch öfter spazieren. Ein besorgter "Volks­genosse" hatte die beiden schon länger im Blick. Als die beiden einmal einen Wald­spaziergang machten und dabei Zärtlichkeiten aus­tauschten, meldete der Mann die Beiden bei der Gestapo.

Else Butz wurde verhaftet und im November 1944 wegen „verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und in das Frauen­gefängnis Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd überstellt.

Noch drei weitere Frauen und ein Mann wurden zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt, wobei auffällt, dass die Frauen wesentlich härter bestraft wurden als der Mann.

Dabei hätten die Strafen für die Frauen noch weit höher ausfallen können. Heinrich Himmler, der oberste Polizei­chef im Deutschen Reich, hatte im Januar 1940 alle Sicher­heitspolizeistellen angewie­sen,  deutsche Frauen, die gegen die „Verordnung zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes“ vom  November 1939 verstoßen „bis auf weiteres in Schutzhaft zu nehmen und für mindesten ein Jahr einem Konzentrationslager zuzu­führen“.

Auch sollte eine von der örtlichen Polizei angeord­nete Kopfschur nicht verhindert werden. Mit äußers­ter Brutali­tät verfolgten die deutschen Behörden den verbotenen Umgang mit polnischen Kriegs­gefangenen.

Einer junge Frau aus Stockach, die ein Verhältnis mit einem polnischen Kriegs­gefangenen hatte, wurde zur Strafe der Kopf geschoren und im Beisein vieler Konstanzer wie ein Stück Vieh über die Markt­stätte getrieben. Das geschah im Februar 1941. Die Frau wurde in das KZ Ravensbrück eingeliefert; über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

 

10. Spanienkämpfer

Auch außerhalb von Deutschland gab es Frauen und Männer, die Widerstand gegen den Faschismus leisteten. Ich spreche von den deutschen Frei­willigen im spanischen Bürgerkrieg. Wie bekannt, hatte Franco im Juli 1936 gegen die frei gewählte Volksfrontregierung geputscht. Im Oktober 1936 beschloss die Kommu­nistische Internationale, die spanische Republik mit Frei­willigen zu unterstützen. In Deutschland wurden daraufhin von der verbo­tenen KPD Freiwillige für Spanien angeworben.

Dies geschah  auch im Raum Konstanz/Radolfzell. Aus Deutschland  meldeten sich etwa 3500 Freiwil­lige. Sie kämpften hauptsächlich  im Bataillon „Ernst Thälmann“ der XI. Internationalen Brigade.

Die deutschen Frei­willigen wurden von der Gestapo im Reich steckbrieflich gesucht. Etwa 800 von ihnen fanden den Tod in Spanien. Unter den  deutschen  Freiwilligen waren auch 3 Männer aus Konstanz. Einer von ihnen, Emil Götschl ist in Spanien ums Leben gekommen, die beiden anderen, Jakob Stoll und Friedrich Held, haben den Bürgerkrieg überlebt und sind nach Konstanz zurückgekehrt. Für alle drei wurden Stolpersteine verlegt.

Jakob Stoll war bis 1933 kommunistischer Stadtrat in Wollmatingen. Bei einem Arbeitseinsatz im Juli 1937 an der deutsch-schweizerischen Grenze konnte er fliehen. Mit Hilfe von Parteifreunden gelangte er nach Paris und von dort nach Spanien.

Stoll war ein mutiger Mann; bei Gefechten zeichnete er sich mehrfach aus und wurde wegen seiner Tapferkeit zum Unteroffizier befördert. Nach dem Sieg Francos im April 1939 flüchtete er nach Südfrank­reich. Nach Inter­nierung in mehreren Lagern wurde er von den Franzosen an die Deutschen ausgeliefert und in das KZ Dachau gebracht. Von Dachau kam Stoll in das KZ Mittelbau-Dora in Thüringen. Beim Transport in das KZ Sachsen­hausen gelang ihm im April 1945 die Flucht.

Er kehrte nach Konstanz zurück und war 1946 aktiv an der Neugründung der KPD beteiligt. Bei den ersten freien Wahlen nach dem Krieg wurde Jakob Stoll in den Konstanzer Gemeinderat gewählt.

 

Alle Freiwilligen, die in den internationalen Brigaden gegen Franco und seine faschistischen Verbündeten kämpften, kämpften damit auch gegen Hitler. Die deutschen Freiwilligen sollten  daher in einem Atemzug mit den Widerstandskämpfern in Deutschland genannt werden.

 

11. Verstöße gegen die "Verord­nung über außerordentliche Rund­funkmaßnahmen" vom 1. September 1939

Für die Nazis war der Rundfunk ein wichtiges Instru­ment für die ideologische Beeinflussung der deutschen "Volks­genossen". Deswegen propagierten sie auch den preisgünstigen, für jedermann erschwinglichen „Volks­empfänger“, dessen Empfang allerdings auf die Sender im Reich beschränkt war.

Bei Kriegsausbruch  hatten aber bereits 70% der Haushalte Radioapparate, die auch Auslandssender empfangen konnten. Am Tag des deutschen Überfalls auf Polen, am 1. September 1939, erließ Goebbels die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaß­nahmen“. Darin wurde der Bevölkerung verboten, ausländische Sender abzuhören. Wer sich nicht daran hielt, beging ein Rundfunkverbrechen, das mit Gefäng­nis, Zuchthaus und sogar mit der Todesstrafe geahndet wurde.

In Konstanz war der Schweizer Landessender Bero­münster gut zu hören, der auf der Senderskala gleich neben dem Reichssender Stuttgart lag. Auch  die BBC London konnte in Konstanz gut empfangen werden. Selbst Radio Moskau war in den Abend­stunden mit einem guten Gerät auf Langwelle noch passabel  zu hören. Alle diese Sender brachten mehrere Stunden am Tag Nachrichten in deutscher Sprache.

Anzeigen gegen die Rundfunkverordnung erfolgten in den meisten Fällen durch Denunzianten im eigenen Haus oder am Arbeitsplatz. Eine Auswer­tung der Akten des Sondergerichts Freiburg nach der sozialen Herkunft der verurteilten "Rundfunk­verbrecher" zeigt, dass fast 45% aus dem Arbeiter­milieu stammten. 20% waren Frauen, Beamte und Angestellte  machten 13% der Verurteilten aus.

Ich greife hier exemplarisch einen Fall aus Konstanz auf.
Karl Doster arbeitete bei der Holzverkohlungs­gesell­schaft HIAG, die zum Degussa-Konzern gehörte, in der Reichenaustraße. Während seiner Nachtschichten hörte er regelmäßig den Schweizer Landessender Beromüns­ter. Ein Nachtwächter, mit dem er sich öfter freund­schaftlich unterhielt, zeigte ihn daraufhin bei der Gestapo an.

Doster wurde verhaftet und in Schutzhaft genom­men. Zu einem förmlichen Verfahren ist es nicht mehr gekom­men, weil die Akten beim OLGR in Stuttgart bei einem Fliegerangriff Mitte September 1944 vernichtet wurden.

Am 26. April 1945 wurde er von den Franzosen aus dem Konstanzer Gefängnis befreit. Er war 4 Monate in Haft; wenn es zu einem Verfahren gekommen wäre, hätte er mit  Sicherheit eine höhere Strafe bekommen.

Aus Konstanz sind 16 Fälle von "Rundfunk­verbrechen" aktenkundig. Eine Haftentschädigung nach dem Krieg hat es für niemanden gegeben, weil die zuständige Behörde in Freiburg unterstellte, dass das Abhören von ausländischen Sendern im Krieg nicht grundsätz­lich auf eine antinational­sozialistische Haltung schließen lasse. Erst im März 1966 wurde durch ein Grundsatzurteil des Bundes­gerichtshofs das Abhören von Feindsendern als Widerstandshandlung gegen das NS-Regime anerkannt.
 

12. Anklage wegen Wehrkraftzersetzung

Ein Gesetz, das eindeutig auf den bevorstehenden  Krieg ausgerichtet war, war die Kriegssonder­straf­recht­verordnung (KSSVO), die am 26. August 1939 in Kraft trat. Dieses Gesetz führte die Todesstrafe für Wehr­kraftzersetzung ein und galt nur für Zivilisten. Militärpersonen wurden nach dem Militärstrafrecht verurteilt.

Zum Tatbestand  der „Wehrkraftzersetzung“ heißt es in der Verordnung: „Wer öffentlich dazu auffordert oder anreizt, die Erfüllung der Dienstpflicht in der deutschen Wehrmacht zu verweigern, oder sonst öffentlich den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen sucht“, wird mit dem Tod bestraft. Dabei wurde der Tatbestand der Wehrkraftzersetzung sehr weit ausgelegt. Darunter fielen zum Beispiel auch Äußerungen wie: "Der Krieg ist verloren" oder "Die NSDAP soll abtreten".

Für »Wehrkraftzersetzung« waren zunächst die Sondergerichte zuständig; Anfang 1943 ging die Zuständigkeit auf den Volksgerichtshof über, der aber leichtere Fälle an die Oberlandesgerichte abgeben konnte. Der Volksgerichtshof verhängte in der Regel die Todesstrafe.

In Konstanz wurden 9 Personen nach der KSSVO verurteilt, darunter zwei Personen zum Tod.

Es waren dies Eduard Risch und Melanie Risch, ein älteres Ehepaar aus der Scheffelstraße. Er war Sattler und SPD-Mitglied, sie war selbständige Schneiderin mit einem kleinen Atelier in ihrer Wohnung. Im August 1943 wurden beide verhaftet. Sie waren von ihrem Lehr­mädchen denunziert worden.

Das Ehepaar Risch war aber schon länger im Visier der Gestapo, weil sich beide mehrfach abfällig über das NS-Regime geäußert hatten. Im Oktober 1943 wurden Eduard und Melanie Risch vom Volks­gerichtshof Berlin unter dem Vorsitz des berüchtigten Dr.  Freisler zum Tode verurteilt. Melanie Risch wurde am 27. Januar 1944 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet, ihr Mann am 21. Februar 1944 im Zuchthaus Branden­burg-Goerden erhängt.

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass ein aus Konstanz gebürtiger Soldat im Januar 1944 wegen Fahnenflucht in Berlin hingerichtet wurde.

 

13. Widerstand aus dem Glauben – die Zeugen Jehovas

Viele Christen haben trotz schärfster Repressionen während des Nationalsozialismus an ihrem Glauben fest­gehalten. Katholiken wie Protestanten haben promi­nente Märtyrer zu beklagen wie Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer, Max Josef Metzger oder Edith Stein.

Für Konstanz finden sich allerdings kaum Hinweise auf widerständiges Verhalten der beiden Volks­kirchen. Gut belegt ist dagegen der Widerstand der Zeugen Jehovas.

In Deutschland hatten die Zeugen Jehovas bis zu ihrem Verbot 1933 etwa 25.000 bis 30.000 Mitglieder. Reichsweit wurden etwa 10.000 inhaftiert, 4000 kamen ins KZ, etwa 1400 wurden ermordet. 360 Zeugen Jehovas wurden hingerich­tet, davon 251 Männer wegen Wehrdienst­verwei­gerung.  1938 wurde für die Zeugen Jehovas in den Konzentrations­lagern eine besondere Kennung einge­führt, der lila Winkel.

Warum wurden die Zeugen Jehovas verboten? Dazu nur wenige Sätze. Die Zeugen Jehovas waren eine chiliastische Bewegung, d.h. sie  waren vom uner­schütterlichen Glauben beseelt, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorstehe und die tausendjährige Herr­schaft Jesu Christi, das Königreichs Gottes auf Erden, beginne. Man müsse daher Gott gehorchen und nicht den Menschen; ganz allgemein gesprochen, an Politik waren sie nicht interessiert. Wer sich mit dem Staat und den irdischen Mächten einließe, könne nicht nach Gottes Geboten leben. Sie verweigerten  daher den Hitlergruß, die Wehr­pflicht und den Beitritt für sich und ihrer Kinder zu allen national­sozia­lis­ti­schen Organisa­tionen.

Die Konstanzer Gemeinde hatte vielleicht 60 bis 70 Mitglieder; etwa 25 von ihnen wurden von den Nazis verfolgt.  Die Verfahren  gegen sie fanden meistens vor dem Sondergericht Mannheim statt. Grundlage für fast alle  Verurteilungen war die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933.

Ich nenne hier stellvertretend nur vier Namen: Anna Luise Meissner wurde am 15.5.1942 im Frauen-KZ Ravensbrück erschossen und Wilhelm Kleissle am 23. April 1942 im KZ Mauthausen ermordet.

Andere Zeugen Jehovas aus Konstanz wurden zu langen Haftstrafen verurteilt wie z.B. Hermann Dreher zu 118 oder Eugen Schwab zu 102 Monaten.

Trotz ihres beharrlichen Widerstands gegen das NS-Regime sind  die Zeugen Jehovas erst in den letzten Jahren in den Fokus der Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur gerückt. Das liegt wohl daran, dass ihre couragierte Haltung nicht die Wieder­erlangung von Freiheit und Demokratie zum Ziel hatte, sondern einen Gottesstaat auf Erden.

 

14. Schlussbetrachtung

Ich habe versucht, Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Formen des politischen Widerstands in Konstanz zu geben. Es waren meist die sogenannten kleinen Leute, Arbeiter, Handwerker und Hausfrauen, die wegen politischer Delikte verurteilt wurden.

Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Kommunisten und Sozialdemokraten: 41 waren Mitglieder der KPD und 13 der SPD; viele weitere Verurteilte kamen ebenfalls aus dem Arbeitermilieu. 79 verurteilte Personen waren parteilos.  Aus politischen Gründen wurden 13 Perso­nen hingerichtet bzw. fanden den Tod im KZ.

Fragt man nach dem Widerstand aus dem katholischen politischen Lager, dem Zentrum, so muss man antwor­ten: Es gab keinen.

Ich habe lediglich eine Person gefunden, einen Lehrer, der Mitglied des Zentrums war und drei Monate inhaftiert wurde, weil er Arthur Rosenberg, dem Verfasser des Buches „Der Mythus des 20. Jahr­hundert“, wissenschaftliche Fälschungen vorgeworfen hatte.

Insgesamt habe ich die Namen von 159 Konstan­zerinnen und Konstanzern gefunden, die zwischen 1933 bis 1945 aktiven oder passiven politischen Widerstand geleistet haben.

In diesem Zusammenhang müssen auch die beiden Ehepaare Büchler und Weil erwähnt werden, die sich erfolgreich gegen die Nürnberger Rassegesetze gewehrt haben. Da aber noch nicht alle Akten ausgewertet sind, kann man davon ausgehen, dass es in Konstanz noch mehr Personen gab, die politischen Widerstand geleistet haben.

Alle diese Menschen, die sich nicht an die menschen­verachtenden Gesetze des NS-Regimes gehalten und damit Freiheit und Leben riskiert haben, verdienen unseren Respekt. Diesen Respekt erweisen wir ihnen, indem wir die Erinnerung an sie wachhalten.

Ich möchte meinen Vortrag mit einem Zitat von Walter Benjamin beenden:

 
„Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten.“
 
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.