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Stolpersteine Konstanz

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Ansprache zur Steinverlegung für Eugen SCHWAB

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Ansprache Hans-Dieter Schmidt, Konstanz zur Verlegung eines 'Stolpersteins' am Sonntag, dem 8. September 2013 um 11.45 Uhr vor dem Haus Sierenmoosstr. 12

Eugen Schwab, geboren am 6. April 1899 in Dossenheim, gehört seit 1932 als 'Bibelforscher' – wie damals Jehovas Zeugen genannt werden  - der 'Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher' in Konstanz an. Die seit 1921 bestehende Gemeinde in Konstanz mit anfänglich 15 Personen ist sehr rege. In den Krisenzeiten der Weimarer Republik finden die Veranstaltungen der Ernsten Bibelforscher großen Zulauf. In Konstanz füllen sie jeweils den Saal des Konzilgebäudes.

Kaum ist Hitler am 23. März 1933 durch das 'Ermächtigungsgesetz' unumschränkter Machthaber, erfolgt schon am 15. Mai in Baden das Verbot der Zeugen Jehovas – wie sie sich nun nennen. Ihrem biblischen Auftrag entsprechend, das Königreich Gottes zu verkünden, predigen sie nun zunehmend im Untergrund.

Eugen Schwab besucht mit anderen Glaubensbrüdern den Internationalen Kongress der Zeugen Jehovas in Basel vom 7. bis 9. September 1934. Dort werden Absprachen für 'illegale Treffen' und die Fortsetzung der Missionierung in Deutschland getroffen sowie eine Protestnote gegen Hitler beschlossen. Kurz darauf, am 7. Oktober, finden in Süddeutschland die vereinbarten 'illegale Treffen' der Zeugen Jehovas statt. Die Konstanzer Zeugen Jehovas versammeln sich vorsichtshalber in der Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen. Noch am gleichen Tag geht aus Deutschland und der ganzen Welt eine Aufsehen erregende Flut von Protest-Telegrammen mit gleich lautendem Text bei „ADOLF HITLER, REICHSKNZLER BERLIN“ ein, in denen es u. a. heißt: HÖREN SIE AUF, JEHOVAS ZEUGEN WEITER ZU VERFOLGEN, SONST WIRD GOTT SIE UND IHRE NATIONALE PARTEI VERNICHTEN.“

Die Zeugen Jehovas aus Konstanz nehmen nun an den Zusammenkünften ihrer Kreuzlinger Glaubensbrüder teil, doch sie missionieren weiter in Deutschland. über die Grenze schmuggeln sie regelmäßig die Zeit­schriften 'Wachtturm' und 'Das goldene Zeitalter' sowie größere Mengen an Büchern und Broschüren. Die vierzigjährige Berta Maurer – für sie liegt seit Juli 2010 ein Stolperstein vor dem Haus Löhrystraße 4 – hat hier leitende Funktion.

Per Fahrrad sind die Konstanzer Zeugen im Linzgau, im Hegau und auf der Höri unterwegs, um Bibeln und ältere vom Verbot noch nicht betroffene Druck­schriften zu verbreiten. Am 18. Mai 1936 wird der als Elektromonteur tätige Eugen Schwab jedoch verhaftet, zwei Monate in Untersuchungshaft in Konstanz gehalten und am 27. Juli vom Sondergericht Mannheim zu insgesamt 4 Monaten Haft verurteilt. Sein Vergehen: Vorrätighalten und Verbreiten von Druckschriften im Linzgau und auf der Höri an zwei Sonntagen im Mai. Den Rest seiner Strafe verbüßt er im Gefängnis Mannheim bis 27. September.

Wegen seiner Inhaftierung ist es ihm versagt, am Mitteleuropäischen Kongress in Luzern teilzunehmen, der vom 4. bis 7. September stattfindet. Dort wird eine Resolution gegen das Nazi-Regime verabschiedet, welche im Dezember in einer Flugblatt-Aktion umgesetzt wird. Dies führt zu einer Verhaftungswelle, die auch an die 25 Konstanzer Zeugen erfasst.

Eugen Schwab wird jedoch wegen eines anderen Vergehens am 15. Dezember erneut in Schutzhaft genommen und am 21. Mai 1937 vom Sondergericht Mannheim zu insgesamt 8 Monaten Haftstrafe bis 29. Oktober verurteilt. Sein Vergehen diesmal: Er gibt zwei Tage vor seiner Verhaftung die Druckschrift 'Entscheidung' weiter, in die er – wie er einräumt 'flüchtig hineingeschaut habe'. Der Empfänger zeigte ihn wohl umgehend an. Danach kommt er nicht frei, sondern er wird – auf Grund eines nur Jehovas Zeugen betreffenden Erlasses der Gestapo vom 22. April 1937 – am 30. Oktober sofort ins KZ Dachau eingeliefert. Von dort wird er am 27. September 1939 ins KZ Mauthausen bzw. dessen Außenlager Ebensee verlegt, wo er am 6. Mai 1945 befreit wird.

Wieder in Konstanz, hilft er mit, die Versammlung neu zu beleben und verwendet seine Haftentschädigung als Teil der Finanzierung 1955 zum Bau des König­reichssaals – gleich 300 m weiter in der Goebel­beckerstraße, wo heute noch zwei größere Gemeinden der Zeugen Jehovas ihre Anbetungsstätte haben.

Er heiratet  Anneliese Hofmaier, für deren Mutter Paulina Hofmaier wir morgen Vormittag einen Stolperstein in der Emmishofer Straße setzen werden. Beider Tochter praktiziert heute den von ihren Eltern durch viel Leid erprobten Glauben – ich begrüße sie ausdrücklich und herzlich unter den Zuhörern.

Eugen Schwab ist mir noch persönlich bekannt als geradliniger und kompromissloser Bekenner seines Glaubens an Gott Jehova. Als sichtbares Zeichen dafür zeigte er seine verstümmelte Hand, da ihm in Mauthausen ein Finger abgefroren war. Er stirbt 79jährig im Jahr 1978.

Halten wir Männer wie Gustav Schwab als Mahner für persönliche Geradlinigkeit und Standfestigkeit in Erinnerung.

 

 

 

 

 

 

 

Verfasser: H.-Dieter Schmidt, Konstanz, 7. Sept. 2013 nach Recherchen von Dr. Arnulf Moser, Konstanz und Archiv-Material Jehovas Zeugen, Konstanz