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Stolpersteine Konstanz

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Bertha Hilda SCHROFF  1911 - 1944

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geb. 1911, Konstanz

ZWANGSSTERILISIERT 1.2.1939

EINGEWIESEN 4.3.1941

HEILANSTALT EMMENDINGEN

TOT 30.5.1944

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Radolfzeller Str. 56 heute
(2014)

 

Bild grösser: anklicken

Stolperstein für Bertha Hilda SCHROFF
verlegt am 28.06.2014

 

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Bertha Hilda SCHROFF

 

Bertha Hilda Schroff wurde am 05.04.1911 in Konstanz / Wollmatingen geboren und katholisch getauft. Ihre Eltern waren der Landwirt Max Schroff und Emma Schroff (geb. Stadelhofer).

Hilda wuchs zusammen mit fünf weiteren Geschwis­tern in der Radolfzeller Straße 56 auf. Sie besuchte die Volksschule in Wollmatingen und absolvierte danach eine Lehre in der Seidenweberei Schwarzenbach.

 

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Bertha SCHROFF (2. v.l.) mit Eltern und Geschwistern

 

 

Als Hausangestellte lebte sie später bei einem hollän­dischen Ehepaar in Genf, mit dem sie auch in die Niederlande umzog, bevor sie Ende 1934 nach Konstanz zurückkehrte. Sie wohnte wieder im Elternhaus und arbeitete als Hausgehilfin in unterschiedlichen Einrichtungen, unter anderem als Küchenmädchen in der Konstanzer Heil- und Pflegeanstalt und zuletzt in der Emmishofer Straße als Hausgehilfin der „Corsa-Bar“.
 

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Bertha SCHROFF am Genfer See, 1931

 

Wie Hilda Schroff 1937 ins Visier der Fahnder zur „Aufartung“ des „gesunden Volkskörpers“ geriet, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Wohl aber, dass sie am 14. April 1937 von Dr. Kurt Mollweide, Facharzt für Innere Medizin, angezeigt wurde, der bei ihr „Schizophrenie“ vermutete. Ihm soll ihr „eigentümliches, unfreies und gebundenes Leben“ aufgefallen sein. Auf Basis eines von Medizinalrat Dr. Held verfassten amtsärztlichen Gutachtens („Seit Jahren gilt sie als merkwürdig, verschroben und verschlossen.“) stellte das Gesundheitsamt Konstanz am 9. September 1938 den Antrag auf Unfruchtbarmachung der damals 26-jährigen jungen Frau.
 

Am 3. Oktober 1938 kam es zur Verhandlung vor dem Erbgesundheitsgericht. Den Vorsitz hatte Amtsgerichtsrat Dr. Heidlauff, als Beisitzer fungierten Medizinalrat Dr. Voncken (Stockach) und Obervertrauensarzt Dr. Montfort (Überlingen). Hilda Schroff kam mit ihrem Vater. „Die beiden Erschienenen erklären übereinstimmend, sie könnten sich keinesfalls mit einer Unfruchtbarmachung einverstanden erklären, da nicht angenommen werden könne, dass die Hilda Berta Schroff an Schizophrenie leide. Insbesondere erklärte die Unfruchtbarzumachende, sie müsse zwar zugeben, dass sie schon als Kind sehr ängstlich gewesen sei und auch jetzt noch sehr häufig Angstgefühle habe. Trotzdem sei sie jedoch gut in der Lage, die ihr als Hausgehilfin obliegenden Arbeiten zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebers auszuführen.“ Verzweifelte Einwände, die das Gericht jedoch nicht gelten ließ: „Nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass etwaige Nachkommen der Hilda Berta Schroff ebenfalls an schweren geistigen oder körperlichen Erbschäden leiden werden.“ Mit dieser Standard­begründung, die sich in den meisten der Sterilisations­beschlüsse findet, ordneten die Richter ihre Unfruchtbarmachung an.

 

Danach schien die Familie im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles versucht zu haben, ihre Tochter vor diesem Schicksal zu bewahren: Hildas im Staatsarchiv Freiburg verwahrte Akte dokumentiert, dass sie jede postalisch zugestellte amtliche Anordnung, sich in der Konstanzer Frauenklinik einzufinden, und auch jede Androhung von Zwangsmaß­nahmen ignorierte. Bis das Gesundheitsamt den Landrat aufforderte, Hilda Schroff durch Polizeibeamte in die Klinik zu überstellen: Am 1. Februar 1939 schließlich bestätigte Dr. Kurt Welsch, der Leiter der Frauenklinik, die Unfruchtbarmachung der an vermeintlich „angeborenem Schwachsinn“ leidenden Frau. „Die Operierte wurde am 17.2.1939 als geheilt entlassen“. Die Rechnung über 68 Reichsmark ging an die Staatskasse.

Was dieser brutale Eingriff für die junge Frau bedeutete, lässt sich nur erahnen. Zusätzlich wurde sie durch den Tod von zwei Brüdern im Weltkrieg (in den Jahren 1941 und 1943) psychisch schwer belastet.

 

Zwei Jahre später – die Konstanzer Heil- und Pflege­anstalt war nach der Deportation von 508 PatientInnen in die Gaskammern von Grafeneck und Hadamar geschlossen worden, sie beherbergte nun eine "Nationalpolitische Erziehungsanstalt" (Napola) – wurde Hilda Schroff in die Heilanstalt Emmendingen eingewiesen. Dort starb sie drei Jahre später am 30. Mai 1944 im Alter von nur 33 Jahren, laut Totenschein an Lungentuberkulose und Lungenkrebs. Ob diese Angabe stimmt oder ob sie eines der circa 230.000 Opfer der „dezentralen Euthanasie“ ist, die durch Verweigerung medizinischer Behandlung, systematisches Verhungernlassen, durch Überdosierung von Medikamen­ten oder Injektionen ermordet wurden, ist heute nicht mehr feststellbar.

 

Ihr Leichnam wurde im folgenden Monat nach Konstanz überführt und auf dem Wollmatinger Friedhof bestattet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Recherche: Roland Didra / Sabine Bade

Patenschaft: Dorothee Jacobs-Krahnen

Anmerkung zu unterschiedlichen Schreibweisen des Namens:

"Bertha Hilda Schroff" ist der Eintrag in der Geburtsurkunde. Laut Aussage ihres Neffen ( Willi Schroff in KN) , wurde seine Tante aber immer wieder unterschiedlich genannt bzw. geschrieben, sowohl von Angehörigen als auch von Behörden. (Hilda, Hilde, Berta mit und ohne h, Hilda Bertha oder umgekehrt). So findet sich auch fälschlicherweise "Hilda Berta Schroff" im oben erwähnten Schreiben des Erbgesundheitsgerichts.

Quellen:

Dr. Gabriel Richter, Zentrum für Psychiatrie Emmendingen

Stadtarchiv Konstanz, Einwohnermeldekarten vor 1945

Privatarchiv Willi Schroff (alle Fotos)

Staatsarchiv Freiburg B 132 / Nr. 925